In ihrer Garage hat Steffie Zettel alle ihre Schätze untergebracht. Foto: Nina Ayerle

Steffie Zettel aus dem Lehenviertel hat ihr eigene Marke „Südpunk“ gegründet. Sie näht in ihrer Freizeit aus alten Materialien Handtaschen. Jede Tasche ist ein Unikat.

S-Süd - Steffie Zettels persönliche Zeitrechnung beginnt mit ihrem 31. Lebensjahr. Genauer, mit dem Tag, an dem sie ihre erste eigene Nähmaschine gekauft hat. Seitdem hat die heute 37-Jährige aus dem Lehenviertel insgesamt 748 Handtaschen selbst genäht. Dabei ist sie weder Schneiderin von Beruf, noch hat ihre tägliche Arbeit mit handwerklichen Tätigkeiten zu tun. Zettel arbeitet in einem Stuttgarter Großunternehmen in der Finanzabteilung – teilweise zehn Stunden am Tag. „Taschen zu nähen ist mein kreativer Ausgleich zu den Finanzen“, sagt sie.

Taschen nähen ist in erster Linie ihr Hobby

Geld verdienen muss sie mit ihren Taschen nicht, sie sind ihr Hobby. Zwar verkauft sie ihre Schätze auf Kunsthandwerkermärkten und über ihre Website, doch der Antrieb ist das Geschäft nicht. „Es fällt mir halt auch immer schwer, wenn ich eine Tasche weggeben muss“, sagt Steffie Zettel. Viele verschenkt sie zum Geburtstag und zu Weihnachten oder sie macht Spezialanfertigungen für ihre Freundinnen zur Hochzeit.

Als Material verwendet sie keine neuen Stoffe, sondern alte Kleider, Vorhänge, Tischdecken und auch Duschvorhänge. Geliefert bekommt sie ihre Materialien von Freunden, Bekannten und auch von der Damenrunde der Mutter. Die haben oft ganz besondere Schmankerl für Zettel bei sich zu Hause zurückgelegt: Vorhänge oder Tischdecken mit kunstvollen Bordüren, die Zettel zu Verzierungen für die Taschen umfunktioniert. Sobald die 37-Jährige einen neuen Stoffberg vor sich hat, hat sie die passende Handtasche dazu im Kopf. „Ich muss mir immer schnell Zeichnungen machen, weil mir manchmal fünf Taschen gleichzeitig einfallen“, erzählt sie. Wenn ihr jemand auf der Straße begegne, habe sie sofort die passende Handtasche für die Frau oder das Mädchen im Kopf.

Jede Tasche hat ihre eigene Geschichte

Untergebracht sind alle ihre Taschen bei ihr zu Hause in der Garage. Ein Freund hat ihr ein Regal für die Taschen gezimmert. Bis auf den letzten Platz ist dieses inzwischen schon voll. Trotz der Unmenge an Taschen, die Steffie Zettel bereits genäht hat, weiß sie noch genau, wo welches Material herkommt, was es einmal war, und welchen Namen die Tasche hat. Immer wieder zieht sie eine heraus und erzählt die Geschichte dazu. Eine mit vielen Pailletten besetzte Tasche war einst das Abendkleid einer Freundin. Jede Bordüre, frühere Krawatte oder Perle kann Zettel zuordnen. „Ach, ich habe sie alle lieb, meine Taschen“, sagt sie und lacht.

Um eine Tasche zu nähen, benötigt Zettel zwischen vier und 20 Stunden. Wie sie das neben ihrer Arbeit macht? „Ich schlafe schlecht“, sagt sie und lacht. Außerdem könne sie selten nur fernsehen oder ein Buch lesen. „Wenn ich dabei meine Nähmaschine sehe, interessiert mich ein Buch nicht mehr“, fügt sie hinzu.

Ein stilles Dasein als Einsiedlerin mit ihren Taschen führt Zettel deswegen in ihrer Freizeit nicht. Sie betreibt den israelischen Selbstverteidigungssport Krav Maga, geht gerne mit Freunden aus und beschäftigt sich viel mit Tieren. „Mein Tag bräuchte dreimal so viele Stunden.“

Als sie anfing, nannte sie ihr Label „Marblebags“, nach dem Namen einer alten Freundin der Mutter. „Ich habe sie als Kind so bewundert, wollte immer so sein wie sie, wenn ich groß bin“, erzählt Zettel und zieht sofort ein paar Taschen aus dem Regal, die perfekt zu diesem Namen passen. Doch sie sei älter geworden, habe sich weiter entwickelt und ihr Stil habe sich geändert. Zum Beweis holt Zettel eine Tasche mit einem großen aufgenähten Totenkopf aus ihrem Fundus. Der alte Name passt aus ihrer Sicht eher zu den verspielten und verzierten Taschen, ein Totenkopf wiederum nicht. Deshalb heißt ihre Marke nun „Südpunk“.

Den Namen hat ihr ein Bekannter geliefert. „Er hat gesagt, meine Taschen sind Punk aus dem Süden“, sagt Zettel. Punk bedeute ja nichts anderes als non-konform. „Das passt auf meine Taschen. Sie sind alle außergewöhnlich.“ Denn wichtig ist ihr, dass ihr Taschen nicht nach Standard aussehen, den es in jedem Kaufhaus gibt. Jede ist ein eigenes Modell. Alle sind sie ausgefallen und außergewöhnlich. „Schlicht kann ich nicht“, sagt die 37-Jährige.