Ulrike Bucks Kastanie ist groß wie ein Wohnzimmertisch. Foto: Buck

Die Ausstellung „Foundation of Freckles“ in den Wagenhallen fängt Echos der Stuttgarter Vergangenheit auf und denkt mit Unbehagen nach über die Zukunft des Kunstorts Wagenhallen. Fünf Künstlerinnen aus Deutschland, Schweden und der Schweiz haben ihre Kommentare installiert.

Stuttgart - Die Kastanie dreht sich, es glänzt ihr Lack: Die Ausstellung „Foundation of Freckles“ in den Wagenhallen fängt Echos der Stuttgarter Vergangenheit auf und denkt mit Unbehagen nach über die Zukunft des Kunstorts Wagenhallen. Fünf Künstlerinnen aus Deutschland, Schweden und der Schweiz haben ihre Kommentare installiert.

Als schwäbischer Pflasterstein, erinnert sich Ulrike Buck, ging die Kastanie in die Geschichte ein, eine Reminiszenz an den 30. September 2010, den Schwarzen Donnerstag, an dem der Konflikt um Rodungsarbeiten für das Verkehrs- und Städtebauprojekt Stuttgart 21 eskalierte: „Die Pflastersteine, die laut Polizei von den Demonstranten geworfen wurden, stellten sich als Kastanien heraus, die von den Wasserwerfern aus den Bäumen geblasen worden waren“, sagt Buck.

Ulrike Buck wurde auf der Schwäbischen Alb geboren, studierte an der Stuttgarter Kunstakademie, hat an vielen Orten der Welt gelebt und gearbeitet, fühlt sich als ehemaliges Landei und Weltbürgerin. Sie sagt: „Diese Skulptur ist für Stuttgart.“ Die Kastanie, groß wie ein Wohnzimmertisch, dreht sich gemächlich, im Hintergrund läuft ein berühmtes Lied, das arg entschleunigt erklärt, wie glücklich die Produkte der ansässigen Autoindustrie machen. Die Kastanie ist mit Autolack bezogen und in Handarbeit poliert. Buck: „Sie kann es aufnehmen mit dem Glanz der Luxuskarossen, auf denen der Wohlstand dieser Stadt gebaut ist.“

Die Künstler fürchten die Gentrifizierung der Wagenhallen

Mit der Gruppenausstellung „Foundation of Freckles“, seit Ende vergangener Woche in den Wagenhallen zu sehen, reagieren fünf Künstlerinnen auf die Gentrifizierung der Wagenhallen, die sie für unausweichlich halten: „Wir werden uns hier keine Ateliers mehr leisten können“, erklären die beiden Kuratorinnen, die sich, als Team, Peekaboo! nennen. Sie heißen Lisa Biedlingmaier und Bernadette Wolbring und beteiligen sich an der Ausstellung auch mit eigenen Arbeiten.

Lisa Biedlingmaier zeigt zeitgleich im Werkstatthaus in der Gerokstraße eine Inszenierung von vorgefundenen Materialien, Steinen – im TAUT, dem Temporary Artist Utopia Tool, der provisorischen Containerausstellungsstätte bei den Wagenhallen, dokumentiert sie diese Inszenierung als Abwesenheit.

Bernadette Wolbring hat den Container nebenan anheimelnd eingerichtet und spielt eine harmlos anmutende Animation auf Super-8-Film ab, bewusst im Stil betagter Lehrfilme gehalten – tatsächlich handelt es sich um die abstrakte Wiedergabe eines anonymen Films, der Vergewaltigungen auf dem Tahrir-Platz in Kairo aus der Vogelperspektive festhält.

Die Halle selbst darf für Ausstellungen nicht genutzt werden

Biedlingmaier und Wolbring studierten in Stuttgart, Zürich, Stockholm. Zu ihrer Schau haben die beiden Kuratorinnen außer Ulrike Buck zwei Künstlerinnen aus Zürich und Stockholm eingeladen. Joanna Nordin aus Schweden hat eine Installation geschaffen, die mit Elementen der Innenarchitektur spielt, Linda Semadeni aus der Schweiz rätselhafte Objekte aus blauer Baumwolle ausgestreut – ein Bauchnabel schwebt in der Luft, daneben Boxhandschuh, Maske, ein seltsamer Helm, eine Zunge.

Beide Installationen sind in den Garagentoren der Wagenhalle zu sehen – für Ausstellungen darf die Halle selbst, aus Gründen des Brandschutzes, noch immer nicht genutzt werden. Kaum dass die fünf Künstlerinnen die Diskussion um die Wagenhalle, die städtebauliche Entwicklung Stuttgarts direkt ansprächen – sie begnügen sich damit, zwiespältige Stimmungen zu schaffen und täuschende Oberflächen zu diskutieren.

Zu sehen ist die Ausstellung bis einschließlich Samstag, 7. November.