Ausgezeichnet: Denis Scheck Quelle: Unbekannt

Lasst die Korken knallen! Manche mögen dank ihrer Beharrlichkeit einen Preis fürs Lebenswerk bekommen. Er bekam den Preis für Lebensfreude, schon jetzt mit 50 Jahren. Das deutsche Champagnerbüro mit Sitz in Stuttgart hat den Kritiker Denis Scheck geehrt – den großen Sohn von Bretzenacker.

Stuttgart – Stark durch Schadenfreude. Das Prinzip ist das Gleiche, ob es nun von dem Niedersachsen Dieter Bohlen angewandt wird oder von dem Schwaben Denis Scheck. Über Nichtskönner wird ein Kübel Spott und Häme ausgeschüttet, auf dass sich das Publikum ergötzt, wenn es uneinsichtige Dilettanten trifft. Der Musikproduzent Bohlen tut’s tiefgelegt in Castingshows – und der Literaturkritiker Scheck auf höherem Niveau, aber nicht weniger frech und fies, in seiner nächtlichen ARD-Sendung „Druckfrisch“.

Großes Wortkino! Über den Designer und TV-Star Guido Maria Kretschmer sagte Denis Scheck: „Wenn er nicht aufhört zu schreiben, entwerfe ich auch Mode.“

Das Buch von „Bunte“-Starreporter Paul Sahner zum Tode von Udo Jürgens ist für ihn „zum Kotzen“. So einen „unwürdigen Dreck“ habe „kein Künstler verdient“.

Und selbst beim neuen Bestseller von Hape Kerkeling („Der Junge muss an die frische Luft“) denkt der stets im feinsten Zwirn gekleidete Herr, der gar nicht nach den anarchischen Attacken aussieht, die er genial reitet, ans Essen: „Mag sich dieser autobiografische Schichtkäse auch noch so gut verkaufen – er bleibt doch Quark.“

Literaturrichter Gnadenlos führt nicht immer fein das Florett – es darf auch mal die Axt sein. Während der vor 50 Jahren in Stuttgart geborene Kritiker die einen am liebsten mit Schimpf und Schande vom Literaturhof verjagen würde, feiert er die anderen, falls sie ein gutes Buch geschrieben haben, mit perlenden, schäumenden und prickelnden Hymnen der Begeisterung.

Womit wir beim Champagner sind. Das deutsche Büro der französischen Champagnerhäuser befindet sich zwar in Stuttgart (auf dem Eugensplatz mit traumhaftem Ausblick), verleiht aber jedes Jahr in Hamburg (wo der Champagnerumsatz höher ist als bei den dafür besser verdienenden Schwaben) seinen Preis für Lebensfreude. Diesmal hielt Frank Schätzing („Der Schwarm“) die Laudatio – er ist nicht nur mit Denis Scheck befreundet, sondern gehört zu den Schriftstellern, vor denen der „Druckfrisch“-Präsentator niederkniet.

Freundlicherweise hat mir das Champagnerbüro die elfseitige Rede von Schätzing zugemailt. Sie liest sich süffig, ist nicht nur sprachlich ein Hochgenuss, sondern auch mit Anekdoten gespickt, die nur jemand weiß, bei dem der Hund des Hauses (der Jack-Russell-Terrier wird von Insidern Scheck-Russell-Terrier genannt) bei den Besuchen nicht mehr anschlägt.

Und wie schön war die erste Begegnung der späteren Freunde 2004 in Nizza! Schätzing fuhr wegen Flugangst 23 Stunden im Zug, um bei dem Dreh auf einem Boot im Mittelmeer mit Scheck fast unterzugehen.

Aber in einem Punkt irrt der 57-Jährige ganz gewaltig. Die Eltern von Scheck, behauptete der Laudator, hätten seinen Freund in dessen Kindheit und Jugend „in die Ödnis eines Kaffs nahe Stuttgart“ gezwungen, „wo Lebensfreude in etwa so gedieh wie ein Erdbeerfeld in der Sahara“.

Bei diesem „Kaff“ handelt es sich, wie mir Tonia Heyckendorf vom Bureau du Champagne anvertraut hat, um das schöne Bretzenacker, einen Teilort der Gemeinde Berglen im idyllischen Remstal. Es gibt hier Besenwirtschaften, Naturlehrpfade, ja sogar Loipen im Winter. Und die Buslinie 336 nach Winnenden. Mehr Ablenkung braucht ein Mensch nicht, der in die Welt von guten Büchern eintauchen will, also in die pure Lebensfreude. Jeder große Sohn (und jede große Tochter) von Bretzenacker weiß das!

Würden hier die blauen Champagnertrauben Pinot Meunier oder Pinot Noir angebaut– kein junger Mensch würde den ganzen Tag und die ganze Nacht zwischen Buchdeckeln ein Fantasiereich erobern wollen. Und das Stuttgarter Champagnerbüro würde auf der Stelle mit Polizeihundertschaft aufmarschieren. Dass Champagner nur aus Frankreich kommt und dass selbst „Sekt nach Champagnerart“ außerhalb von Frankreich verboten ist, darüber wachen die Hüter des Wahren, Guten und Schönen vom Eugensplatz. Ihre Arbeit ist von Erfolg gekrönt: 2014 ist der Champagner-Absatz in Deutschland gestiegen (von 12,3 Millionen Flaschen im Jahr 2013 auf 12,6 Millionen. Zum Vergleich: Die Franzosen trinken 162 Millionen Flaschen im Jahr.

„Tu deinem Leib etwas Gutes, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen“ – diese Weisheit, sagte Schätzing, könne man vom Schampus-Preisträger lernen. Als Freund ist er ebenso ein Vorbild. Die Schecks seien vollendete Gastgeber, verriet der Laudator: „Man begegnet Champagnersorten, die man zuvor noch nie gekostet hat, spricht man ihn darauf an, steht anderntags eine Magnumflasche vor der Tür mitsamt Bezugsquelle.“

Ja, so macht das Leben Freude!

Wer braucht da noch Sahara-Erdbeeren?