In Stuttgart hat die Zahl der Wohnungseinbrüche schon wieder deutlich zugenommen Foto: dpa

„Diebe im Gesetz“ nennt man die regionalen georgischen Verbrechernetzwerke – und offenbar haben sie auch Stuttgart im Griff. Kein Wunder, dass Wohnungseinbrüche weiter zunehmen.

Stuttgart - Der Mann lebt völlig unauffällig in einem Mehrfamilienhaus im Stuttgarter Süden. Dass die Polizei an ihm dran ist, mag der Mittfünfziger ahnen, noch kümmert es ihn nicht. Er selbst stellt ja nichts an. Doch es ist schon seltsam, dass all die verschiedenen georgischen Wohnungseinbrecher, die der Polizei derzeit ins Netz gehen, seine Telefonnummer dabeihaben. Ist er der Resident, der ganze Einbruchserien im Großraum Stuttgart steuert? Einer der berüchtigten „Diebe im Gesetz“, eine Art genossenschaftliche Mafia aus Georgien?

Wohnungseinbrüche in Stuttgart haben das schlimmste Ausmaß seit 25 Jahren angenommen. Damals in den 90ern war das meist durch Beschaffungskriminalität von ortsansässigen Drogensüchtigen verursacht. Heute sind dagegen professionelle Organisationen am Werk – etwa die Netzwerke georgischer Täter. Sie reisen als Touristen ein, finden in Hotels, zeitweise auch in Asylunterkünften Unterschlupf. Und sie wissen offenbar genau, wo für sie in Hamburg ein Auto bereitsteht, mit dem sie dann im Südwesten auf Beutezug unterwegs sein können. „Das ist alles gut vernetzt“, sagt der Stuttgarter Kripochef Rüdiger Winter.

Am Freitag stellte die Stuttgarter Polizei ihre Kriminalitätsstatistik 2014 vor – und versuchte zu erklären, warum die Wohnungseinbrüche in der Landeshauptstadt auf neue traurige Höchstwerte kommen, obwohl die Polizei bereits vergangenes Jahr neue Schwerpunktmaßnahmen angekündigt hatte. Knapp 1700 Diebstähle aus Wohnungen, davon 1277 per Einbruch – so viele hatte es zuletzt 1992 gegeben, dem Jahr mit der höchsten Kriminalität in Stuttgart.

„Wir erleben seit zwei bis drei Jahren eine Renaissance der Diebstahlsdelikte“, sagt der Stuttgarter Polizeipräsident Franz Lutz. Der Wohnungseinbruch bereite „am meisten Sorgen“ – deshalb habe man das zuständige Kripo-Dezernat aufgestockt. Man habe die Aufklärungsquote auf 17,6 Prozent verbessert, „doch das kann nicht zufriedenstellen“, sagt Lutz. Zum Vergleich: 1992 lag dieser Wert bei immerhin 27 Prozent.

Im roten Bereich liegen die Stadtbezirke Vaihingen (Werte sogar fast verdreifacht) und Bad Cannstatt, aber auch die Innenstadtbezirke Ost, West und Nord. „Wir setzen alles ein, was wir kriegen können“, sagt Vizepolizeipräsident Norbert Walz. Mit Hubschrauber-Hilfe habe vor kurzem ein Tatverdächtiger gefasst werden können. Doch nicht immer kriegt man alles: Letztes Jahr musste eine großangelegte Präventionsaktion ausfallen, weil die georderte Bereitschaftspolizei nicht kommen konnte: „Die musste wegen einer anderen aktuellen Lage absagen“, so der Leiter der Prävention, Ludwig Haupt.

Dafür gibt man derzeit im Kampf gegen Taschendiebe Vollgas. 2252 Fälle im vergangenen Jahr – so viele hat es in Stuttgart noch nie gegeben. Zwei Gruppen sind dafür verantwortlich: reisende Männer und Frauen aus Südosteuropa – und junge Männer aus Nordafrika, die in Discos und Szenelokalen Frauen antanzen oder im Sichtschutz von Jacken arglose Besucher bestehlen. Zwei Reviere haben einen gemeinsamen Spähtrupp gebildet – und verbuchen erste Festnahmen.

Ein junger Algerier etwa, der diese Woche in der Eberhardstraße auf frischer Tat gefasst wurde. Kein Ausweis, ohne festen Wohnsitz, angeblich aus einer Notunterkunft im Rems-Murr-Kreis. Seit Mai 2014 ist er in Deutschland, bis Herbst war er wegen Diebstahls und Drogen in Haft. Angeblich ist er 17 – doch jetzt soll ein Altersgutachten her, weil er viel älter aussieht.

Insgesamt ist die Zahl der Straftaten in Stuttgart um 5,6 Prozent auf 61 576 Delikte gestiegen – das ist der zweithöchste Wert der letzten 20 Jahre. Dabei sind 60 Prozent der Tatverdächtigen Deutsche, 40 Prozent ausländischer Herkunft, meist reisende Täter. Statistisch spielen die Georgier übrigens kaum eine Rolle: 125 unter 27 310 Tatverdächtigen sind ein Anteil von 0,5 Prozent.