An den Grenzen zu Polen und Tschechien soll es mehr Kontrollen geben. Foto: dpa/Patrick Pleul

Bis August erfasste die Bundespolizei rund 71 000 unerlaubte Einreisen. Was ist dagegen geplant? Und was darf man von neuen Maßnahmen erwarten?

Wenn Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) über Migration spricht, dann erwähnt sie dabei ein Thema gerade besonders gern: Schleusungskriminalität. Von Januar bis August erfasste die Bundespolizei rund 71 000 unerlaubte Einreisen, fast jede vierte kam über Schleusungen zustande. Nun will das Innenministerium (BMI) verstärkt dagegen vorgehen.

Einschleusen ist laut Bundeskriminalamt (BKA) „das Herbeiführen der unerlaubten Einreise einer Person in einen Staat, in dem diese keinen Aufenthaltsstatus besitzt.“ Und: Den Schleusern geht es darum, finanzielle oder andere materielle Vorteile daraus zu ziehen. Je nachdem, wie man vorgeht, kann man dafür mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden.

Komplexe Strukturen

Schleusungskriminalität zu bekämpfen, ist schwierig. Hinter dem Phänomen stecken komplexe Strukturen. Oft arbeiten die Täter in Netzwerken zusammen, die verschiedene Leistungen anbieten. Dabei muss es nicht immer darum gehen, jemanden unerlaubt über eine Grenze zu bringen. Schleuser können auch Dokumente für ihre Kunden besorgen, sowohl echte als auch gefälschte. Oder sie helfen dabei, die komplizierten Asylverfahren zu verstehen.

„Man darf sich Schleuser nicht als homogene Gruppe vorstellen – und auch nicht als eine riesige Organisation, die man gezielt bekämpfen kann“, sagt Hannes Schammann, Professor für Migrationspolitik an der Universität Hildesheim. Es gebe zwar einige große Netzwerke, die besonders kriminell vorgingen. „Aber überwiegend handelt es sich um eine große Anzahl von kleineren Unternehmern.“ Das mache es schwer, dagegen vorzugehen: „Meistens ist nicht mal genau klar: Wen bekämpfe ich gerade eigentlich genau?“

Angeworben auf Telegram

Viele der Maßnahmen, die das Innenministerium plant, dürften vor allem diejenigen treffen, die Migrantinnen und Migranten selbst über die Grenze bringen. Man könnte sagen: die Schleuser auf den letzten Metern. Häufig werden sie über Gruppen auf Telegram oder Facebook angeworben. Dort bekommen sie eine feste Summe für einen Auftrag angeboten. Über das Netzwerk oder die Organisation dahinter wissen sie selbst meist wenig.

Ihr Job dürfte nun schwieriger werden, weil Faeser vergangene Woche verstärkte Kontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien anordnete. Schon jetzt finden dort Schleierfahndungen statt. An der Grenze zu Österreich gibt es auch stationäre Kontrollen. Rund 1700 Schleuser erfasste die Bundespolizei nach Angaben des Ministeriums in diesem Jahr bis August. Zudem soll die Behörde jetzt eine Operative Zentrale zur Analyse der Schleusungskriminalität einrichten.

Gesetzesänderungen geplant

Auch Gesetzesänderungen sind geplant. Das Ministerium will Schleuser leichter ausweisen lassen. Außerdem soll eine Strafbarkeitslücke geschlossen werden, wie ein Sprecher des Ministeriums mitteilt: „Die Schleusungen von Minderjährigen, Bewusstlosen oder Handlungsunfähigen dürfen aus Sicht des BMI für Schleuser nicht mehr straffrei bleiben.“ Aus der Antwort geht hervor, dass es aktuell so sei: Wer bewusstlos ist, kann rechtlich betrachtet nicht unerlaubt einreisen – und wo keine unerlaubte Einreise, da keine Schleusung. Das ist besonders bei sogenannten Behältnisschleusungen relevant. Dabei verstecken Schleuser Migrantinnen und Migranten zum Beispiel in Kühltransportern. Darin werden diese oft ohnmächtig, weil es kalt und stickig ist. Als Schleusung strafbar ist das dann aktuell erst, wenn jemand stirbt.

Diese Änderung ist allein sinnvoll, weil sie sich gegen besonders grausame Schleusungen richtet. Doch wie viel die Maßnahmen dazu beitragen, das Phänomen insgesamt einzudämmen, ist unklar. „Ein großes Problem ist, dass es nur wenig Evidenz oder gar Forschung zur Wirkung des Kampfs gegen Schleusungskriminalität gibt“, sagt der Migrationsforscher Schammann. „Wie effizient diese Maßnahmen sind, kann deshalb niemand wirklich sagen.“ Er erklärt, dass Schleuser den Bedarf zur Flucht nicht wecken würden, sondern auf den Bedarf reagierten. Das sei wie am freien Markt: „Solange es Nachfrage gibt, wird es auch ein Angebot geben.“ Schammann glaubt: „Man kann Schleuserkriminalität nur dauerhaft bekämpfen, wenn man sichere Routen nach Europa schafft.“