Unverwechselbar: der Fingerabdruck. Er kommt bei der Spurensicherung so hut wie in jedem Krimi zum Einsatz. Foto: fotolia

Kinofilme und TV-Serien prägen das Bild vom Polizeialltag. Doch was stimmt mit der Wirklichkeit überein, was ist anders?

Stuttgart - Im Fernsehen fahren Kommissare flotte Autos und haben hübsche Assistentinnen. Entspricht das der Realität? Auskunft gibt der ehemalige stellvertretende Stuttgarter Polizeipräsident Michael Kühner (66), der im Jahr 2008 in Pension ging.

Stimmt es, dass auch echte Polizisten ihre Dienststelle immer „Präsidium“ nennen?

Das sei eher die Ausnahme, sagt Michael Kühner, ehemaliger stellvertretender Stuttgarter Polizeipräsident und jahrelang Leiter der Mordkommission. Wenn Polizisten jemanden zur Vernehmung vorladen, sagen sie meist: „Kommen Sie zu uns auf die Dienststelle.“ In Stuttgart gab es jahrelang auch gar kein Polizeipräsidium. Die Dienststelle auf dem Pragsattel hieß Landespolizeidirektion Stuttgart II. Erst 2005 wurde sie mit der Verwaltungsreform wieder in Polizeipräsidium umbenannt.

 . . . dass ein Kommissar am Tatort alles inspizieren darf?

Dass der ermittelnde Kommissar am Tatort herumspaziert, Dinge in die Hand nimmt oder Unterlagen durchwühlt, „das ist absolut tabu“, sagt Kühner. Nur Kriminaltechniker seien dort zugelassen. Ihre Aufgabe sei es, alles genau abzusuchen und Spuren zu sichern.

. . . dass Verdächtige und Zeugen immer zu Hause besucht werden?

Bei Nachbarschaftsbefragungen gehen die Beamten tatsächlich von Tür zu Tür, klingeln und fragen nach, ob jemand verdächtige Beobachtungen gemacht hat. Inwieweit mögliche Tatverdächtige in den eigenen vier Wänden besucht werden, hänge von der Ermittlungstaktik ab, so Kühner. Wenn sich die Fakten verdichten und eine vorläufige Festnahme infrage kommt, dann könne es sein, dass die Polizei direkt zur Wohnung des Betreffenden eilt. Oft werden aber mit Zeugen und Verdächtigen Termine zur Vernehmung auf dem Präsidium, sprich auf der Dienststelle, ausgemacht.

. . . dass Polizisten auch mal allein losziehen und ermitteln?

Nie und nimmer. Eine eiserne Regel für Polizisten besagt laut Kühner: Nie alleine, immer zu zweit. Werden Zeugen befragt oder Verdächtige vernommen, arbeiten die Beamten immer im Team. Ob gleichgeschlechtlich oder gemischt, ist dabei zweitrangig, es müssen nur in jedem Fall zwei Kollegen sein. Das erhöht zum einen im Außeneinsatz die Sicherheit. Zum anderen schützt es die Polizisten: Möglichen Anschuldigungen, etwa dass Tatverdächtige in einer Befragung belästigt oder gar geschlagen wurden, wird so ein Riegel vorgeschoben.

. . . beschlagnahmte flotte Autos als Dienstfahrzeuge verwendet werden dürfen?

Was etwa im Kölner „Tatort“ immer wieder zu sehen ist, ist lediglich eine schöne Vorstellung. Doch auch das hat mit der Realität rein gar nichts zu tun. Klar gebe es beschlagnahmte Autos, so Kühner, „aber ich bin niemals mit einem gefahren“. Den Ermittlern stehen Dienstfahrzeuge zur Verfügung. Zurzeit nutzen Stuttgarter Kommissare Fahrzeuge der Marken Mercedes und VW.

. . . dass die DNA-Analyse innerhalb weniger Stunden vorliegt?

Kaum wurde die Leiche gefunden, schon bekommt der „Tatort“-Kommissar die ersten DNA-Analysen auf den Schreibtisch geliefert. So schnell wie im Fernsehen geht es im echten Leben leider nicht. Die Blutspuren gehen immer ins Labor des Landeskriminalamts, das in der Regel einige Tage braucht, um ein Ergebnis vorlegen zu können. Kühner: „Bei Morden werden diese Untersuchungen zwar vorgezogen, aber trotzdem braucht das seine Zeit.“

. . . dass bei Festnahmen oft geballert wird?

Zum Glück nicht. Der Gebrauch der Schusswaffe ist für einen Polizisten das absolut letzte Mittel, sagt Kühner. „Ein Polizist schießt nur, wenn es gar nicht anders geht.“ Sobald ein Schuss gefallen ist, ermittelt anschließend die Staatsanwaltschaft. „Das kann für den betreffenden Beamten sehr belastend sein“, weiß Kühner, selbst wenn die Sachlage eindeutig sei. Wer einen Menschen angeschossen oder gar erschossen habe, egal ob Mörder oder nicht, habe damit stets zu kämpfen.

. . . dass der Staatsanwalt der Polizei immer über die Schulter schaut?

„Je spektakulärer das Verbrechen, desto mehr ist der Staatsanwalt eingebunden“, erklärt Kühner. Sonderkommissionen treffen sich meist einmal am Tag, um neue Ermittlungsergebnisse zusammenzutragen und auszuwerten. „Es kann schon sein, dass da der Staatsanwalt dabei ist“, sagt Kühner. Dass er aber in jeden Ermittlungsschritt eingebunden ist, sei unwahrscheinlich. Seine Aufgabe sei es vor allem zu prüfen, ob etwa die Voraussetzungen für eine Hausdurchsuchung oder eine Telefonüberwachung gegeben sind.

. . . den Kommissaren immer eine junge, hübsche Assistentin zuarbeitet?

Der Begriff „Assistentin“ existiert so nicht bei der Polizei. Sekretariatsaufgaben erledigen Verwaltungsangestellte, die aber nicht in die Ermittlungen involviert sind. Das ist Sache der Polizeibeamten. Nach der Ausbildung spezialisieren sie sich, etwa auf Kriminaltechnik, Recherche oder die Ermittlung. Sie erreichen unterschiedliche Dienstgrade wie Hauptkommissar oder Kriminalrat.

Es stimmt aber, dass . . .

. . . die Vernehmungen manchmal so ablaufen wie im Fernsehen. Diese Situationen seien sehr oft realistisch wiedergegeben, findet Ex-Kommissar Michael Kühner. Gespräche mit Verdächtigen gehören zu den Herausforderungen im Polizeialltag, denn es gilt, diese zum Reden zu bewegen. „Da braucht es manchmal stundenlange Vorgespräche und Einfühlungsvermögen. Man darf die Klaviatur der Emotionen spielen, aber nie die Grenzen überschreiten.“