Kind zu sein war zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs schwer. Bei einer Veranstaltung der Kirchengemeinde Riedenberg ging es genau darum. Foto:  

Der Koffer stand immer bereit, und die Angst war ständiger Hausgast: Ein Kind zu sein, war zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs hart. Bei einer Veranstaltung in Riedenberg haben sich Kinder von damals erinnert.

Riedenberg - Wir mussten jeden Abend angezogen ins Bett gehen“, sagt eine ältere Frau mit geringeltem Pullover. Eine andere ergänzt: „Ja, das Köfferchen stand immer gepackt neben dem Bett.“ Die Frauen unterhalten sich über ihre Erlebnisse während des Zweiten Weltkriegs, eine Zeit, als sie noch Kinder waren. Am Dienstag, 8. April, hat die evangelische Kirchengemeinde zur Veranstaltung „Wenn sich ältere Menschen an ihre Zeit als Kriegskinder erinnern“ geladen. Als Referent war Roland Geltz dabei.

Geltz wurde im Jahr 1935 geboren, hat das Kriegsende also als Zehnjähriger mitbekommen. Er berichtet unter anderem von zwei Bekannten, die Bilder aus dem Krieg – ob von Flüchtlingen oder später von den Trümmerfrauen – nicht mehr sehen könnten. Er erntet dafür Zustimmung von den Anwesenden. „Mir geht es ganz genauso“, sagt eine Frau.

Bei Fliegeralarm mussten die Häuser verdunkelt werden

An jenem Nachmittag im Gemeindehaus geht es auch ums richtige Verhalten bei Fliegeralarm. „Man musste das Haus verdunkeln“, erzählt eine Frau. Es habe sogar einen Mann gegeben, der durch den Ort ging, um zu kontrollieren, ob verdunkelt worden sei. Eine weitere wichtige Vorsichtsmaßnahme war eben der gepackte Koffer, der immer griffbereit stand, sodass bei einem Bombenangriff schnell das nötigste Hab und Gut mit in den Keller oder den Luftschutzbunker genommen werden konnte.

Ungefähr die Hälfte der circa 20 Zuhörer hat den Vater im Krieg verloren, das heißt, diesen Kindern fehlte die männliche Bezugsperson. Auch Roland Geltz musste diesen Verlust verkraften. Seine Mutter musste die vier Jungen alleine großziehen. Geltz zeigt ein Foto seines Vaters, wie er in seiner Wehrmachtsuniform stolz auf einem militärischen Kettenfahrzeug posiert. „Zugegeben, mein Vater war ein Idiot“, sagt Geltz. Dies meine er zwar nicht ganz so drastisch, sie seien stolz auf ihren Vater gewesen. Aber der Vater habe sich für den Kriegsdienst freiwillig gemeldet und behauptet, er mache es, um die Familie zu beschützen. Das sei den jungen Männern damals erzählt worden, um sie für den Krieg zu gewinnen.

Der Vater ist nie mehr zurückgekehrt

Der Vater von Roland Geltz fuhr die Lastzüge mit Beutegut. Er ist nie mehr zurückgekehrt. „Sein letzter Brief kam aus Ungarn“, sagt sein Sohn. Danach hat die Familie nichts mehr von ihm gehört. Sie habe noch bis zum Jahr 1952 gehofft, dass er irgendwann doch noch auftaucht. Sieben Jahre nach Kriegsende sei es immer wieder vorgekommen, dass Kriegsgefangene aus Russland nach Hause gekommen sind. Der Vater von Roland Geltz war nicht dabei. Wie Geltz geht es vielen der Zuhörer in Riedenberg. Auch deren Väter waren im Krieg gefallen oder vermisst gemeldet. „Ich hätte mir jemanden zum Reden gewünscht, wenn meine Mutter mal sauer auf uns Kinder war,“ sagt eine der Frauen. Er hätte die Mutter vielleicht beruhigen können. Doch es war niemand da. Die Frauen mussten die schlimmen Zeiten allein überstehen.

„Die wahren Heldinnen des Krieges waren die Frauen und Mütter“, sagt Roland Geltz deshalb. Das bekannteste Beispiel seien die Trümmerfrauen. Um ihre Witwenrente in Höhe von 106 Mark aufzubessern, ist die Mutter von Roland Geltz auf dem Feld arbeiten gegangen, „und sie strickte sich bei Nacht die Finger wund“. Aber sie habe für die Kinder immer gekämpft. Sogar eine Geige hat seine Mutter gekauft, um die musikalische Entwicklung ihrer Söhne zu fördern.