Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (rechts) und Grünen-Chef Cem Özdemir. Foto: dpa

Der Ministerpräsident ärgert sich über "Knallkörper" von der SPD - Schmiedel widerspricht.

Aalen - Überschattet von neuen Querelen in der grün-roten Koalition in Baden-Württemberg haben die Grünen bei ihrem Parteitag eine neue Doppelspitze gewählt. Die Stuttgarter Stadträtin Thekla Walker (42) und der Tübinger Politologe Chris Kühn (32) wurden am Wochenende in Aalen (Ostalbkreis) zu neuen Vorsitzenden gekürt. Vor allem am Samstag hagelte es harsche Kritik am Juniorpartner SPD und dessen Fraktionschef Claus Schmiedel. Ministerpräsident Winfried Kretschmann beschwor die SPD angesichts des Streits um Stuttgart 21, eine „Konfliktkoalition“ werde nicht funktionieren. „Wir brauchen eine Konsenskoalition“, rief der 63-Jährige den über 200 Delegierten zu. Schmiedel führe sich zuweilen wie ein Oppositionspolitiker auf.

Der eingefleischte Stuttgart-21-Befürworter Schmiedel reagierte verärgert: „Herr Kretschmann bringt da etwas durcheinander. Die Opposition in Sachen Stuttgart 21 sind die Grünen - und nur die“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. „Der Ruf nach Koalitionstreue wirkt ziemlich unglaubwürdig, wenn man sich gleichzeitig mit der Linken gegen den Koalitionspartner verbündet.“ Der SPD-Fraktionschef spielte damit auf die Allianz gegen Stuttgart 21 an, bei der unter anderem Grüne und Linke kooperieren.

Kretschmann: "Knalllörper" von der SPD

Kretschmann gab Schmiedel noch eine Schonfrist: „Solange es nur Knallkörper und keine Granaten sind, die er in die Koalition schmeißt, nehmen wir das mit einigem Humor hin.“ Grünen-Chef Cem Özdemir kritisierte die SPD vor allem wegen des Abbruchs der Koalitionsgespräche in Berlin. Die Genossen müssten es sich abgewöhnen, die Grünen von oben herab zu behandeln. „Demutsgesten gibt es bei uns nicht.“ Bundestags-Fraktionsvize Fritz Kuhn steuerte kurze Zeit später gegen: „Ich halte es für falsch, uns an der SPD abzuarbeiten.“

Zuvor hatte Justizminister Rainer Stickelberger als Gastredner beim Parteitag seine SPD ungewöhnlich scharf gerügt. Er habe bisher sehr gute Erfahrungen mit den Grünen gemacht. „Ich gebe es zu, manchmal bessere Erfahrungen als mit der eigenen Partei.“ Zudem lobte der strikte Stuttgart-21-Gegner Kretschmann. „Sie sind der Garant für den Zusammenhalt dieser Koalition.“ Indirekt kritisierte er SPD-Chef Nils Schmid und Schmiedel. Die Menschen im Land hätten kein Verständnis für „taktische Spielchen“ und „schrille Töne“. Zu der Kritik sagte Schmiedel: „Darüber reden wir in der Fraktion.“

Misstrauensvotum gegen Stächele geplant

Am Sonntag einigten sich die Regierungsfraktionen von Grünen und SPD dann auf eine gemeinsame Initiative gegen die CDU. Sie wollen den umstrittenen Landtagspräsidenten Willi Stächele (CDU) in der kommenden Woche im Landtag mit einem Misstrauensvotum zum Rücktritt zwingen. Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann sagte, der frühere CDU-Finanzminister sei nach der Rüge des Staatsgerichtshofs für den EnBW-Deal der ehemaligen schwarz-gelben Regierung nicht mehr tragbar. Im Moment wolle er das noch aussitzen. „Das werden wir nicht dulden.“

Kretschmann zeigte sich am Samstag optimistisch, dass Grüne und SPD den schweren Konflikt um das Bahnprojekt Stuttgart 21 umschiffen können. „Das kriegen wir schon gebacken.“ Der grüne Verkehrsexperte Boris Palmer lieferte den S21-Befürwortern in der SPD am Sonntag aber wieder Zündstoff. „Eine Volksabstimmung wird etwas bewirken - Quorum hin oder her“, sagte der Tübinger Oberbürgermeister. „Das Projekt steht auf tönernen Füßen. Wenn sich jetzt auch noch die Bevölkerung dagegen ausspricht, könnte es in sich zusammenfallen.“

Neue Doppelspitze aus Walker und Kühn

Grünen-Landeschef Kühn erhielt bei seiner Wiederwahl mit 95,7 Prozent ein deutlich besseres Ergebnis als Walker (74,5 Prozent), die erst 2008 zu den Grünen gestoßen war. Beide hatten keinen Gegenkandidaten. Die Naturpädagogin Walker beerbt Silke Krebs, die als Staatsministerin in die Regierungszentrale gewechselt war. Kühn rief die Delegierten auf, zu zeigen, dass der Triumph bei der Landtagswahl am 27. März kein Zufall war. „Im Erfolg darf man sich nicht auf die faule Haut legen.“

Die Grünen erweiterten beim Parteitag ihre Führungsspitze. Der geschäftsführende Vorstand wurde von 16 auf 21 Mitglieder aufgestockt. Unter anderem ist Kretschmann nun qua Amt Mitglied. Der Parteitag stimmte mit großer Mehrheit einer entsprechenden Satzungsänderung zu. Hintergrund der Reform ist, die Regierungs- und Parteiarbeit besser zu verzahnen.