"Ich bin Ministerpräsident und kein Folterknecht", so Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Dienstag auf die Frage, ob er Bahn-Chef Rüdiger Grube im Streit um einen Baustopp bei Stuttgart 21 die Daumenschrauben angelegt habe. Foto: dapd

Kretschmann zeigt sich erstaunt über Kostenforderung der Bahn bei einem Baustopp.

Stuttgart - Wenige Tage vor dem nächsten Krisengipfel zu Stuttgart 21 hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auf einen teilweisen Baustopp bis zum geplanten Volksentscheid im Herbst gepocht. „Wir erwarten von der Bahn, dass sie keine unwiderruflichen Fakten bis zur Volksabstimmung schafft“, sagte er am Dienstag in Stuttgart. Grün-Rot werde am Freitag im Lenkungskreis des Milliarden-Bahnprojekts eine Verlängerung des kompletten Baustopps zumindest bis Mitte Juli verlangen. „Mein Rat wäre, dass man jedenfalls bis zum Ende des Stresstests überhaupt nicht weiterbaut.“

Dazu ist Bahn-Chef Rüdiger Grube aber nur bereit, wenn die Projektpartner Verzugskosten in Millionenhöhe übernehmen. Der Bund werde auf keinen Fall für einen Baustopp aufkommen, kündigte Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) an.

Kretschmann: Zahlen der Bahn sind widersprüchlich

Kretschmann wollte sich nicht festlegen, ob das Land zu einer finanziellen Beteiligung bereit ist: „Erstmal machen wir es davon abhängig, was uns die Bahn vorlegt.“ Die von Grube genannten Zahlen seien bisher widersprüchlich. „Uns liegt schriftlich nichts vor. Davon muss die Bahn mal endlich weg.“

Grundsätzlich sei er „bass erstaunt“ gewesen, dass die Bahn von Grün-Rot eine Beteiligung an den Kosten verlangt, sagte Kretschmann. Für die frühere schwarz-gelbe Regierung sei der Baustopp gratis gewesen. „Auf einmal tischt man uns Forderungen auf.“ Die Bahn beziffert die Kosten für einen Baustopp bis Mitte Juli neuerdings auf etwa 50 Millionen Euro und bis Oktober auf 410 Millionen Euro.

Seite 2: Nils Schmid übt Kritik an der Bahn

Finanzminister Nils Schmid (SPD) kritisierte die Informationspolitik der Bahn heftig und drohte mit Konsequenzen. „Die Bahn muss sich schon mal daran gewöhnen, dass sie mit schriftlichen Vorlagen arbeitet.“ Außerdem habe die Bahn die vertragliche Pflicht, die Projektpartner regelmäßig über den Stand des 4,1 Milliarden Euro teuren Vorhabens zu unterrichten und bei Vorlagen für Treffen zeitliche Fristen einzuhalten. Daran habe sich der Konzern zuletzt nicht gehalten. Wenn die dauerhaft ihre Pflichten verletze, könne auch das Land auf Schadenersatz pochen, sagte der SPD-Landeschef. Die SPD ist im Gegensatz zu den Grünen für die Tieferlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofs.

Schmid wirbt für Volksentscheid

Schmid warb für die für Oktober geplante Volksabstimmung: Diese müsse eigentlich im Interesse von Bahn und Bund liegen. Nach den heftigen Protesten zehntausender Demonstranten im vergangenen Jahr müssten das Unternehmen und dessen Eigentümer auf eine breitere Legitimation durch das Plebiszit setzen.

Bundesverkehrsminister Ramsauer begründete im ARD-„Morgenmagazin“, warum der Bund nicht für einen Baustopp zahle: „Ich würde mich selbst ja gewissermaßen Vorwürfen aussetzen, wenn der Bund als Unbeteiligter hier plötzlich Kosten von fünf anderen Vertragspartnern übernehmen würde.“ Das Geld werde für andere Infrastrukturmaßnahmen benötigt. „Und nicht, um irgendjemandem, der plötzlich nicht mehr vertragstreu ist, seine Vertragsuntreue sozusagen auch noch in Heller und Pfennig oder Cent und Euro auszuzahlen.“

Stresstest: Kretschmann will sich nicht festlegen

Kretschmann wollte sich nicht festlegen, ob Grün-Rot bereit ist, das Ergebnis des Stresstests ohne Wenn und Aber zu akzeptieren, wie von Bahn-Chef Grube gefordert. „Es könnten ja Fehler gemacht werden, dann anerkennen wir ihn nicht“, sagte Kretschmann. Er fügte aber hinzu: „Wenn alle ordentlich arbeiten, wovon ich ausgehe, wird er anerkannt.“ Das bedeute aber nicht, dass alle die gleichen Schlüsse aus dem Resultat zögen.

Rund 80 Stuttgart-21-Gegner blockierten am Dienstagmorgen erneut für mehrere Stunden eine Zufahrt zur Baustelle am Schlossgarten. 39 Menschen mussten von der Polizei weggetragen oder weggeführt werden, teilte die Polizei mit. Gegen sie wird wegen des Verdachts der Nötigung ermittelt. Zudem sprach die Polizei Platzverweise aus.