Trotz Krankheit soll es auch einen Alltag für Mia-Marie und ihre Geschwister Timo und Leni-Fee geben Foto: factum/Weise

Im März erfährt Mia-Marie Weber, dass sie schwer krank ist. Seither kämpfen sie, ihre Familie und die Ärzte gegen den Hirntumor. Nun muss der Vater des Mädchens um seine Arbeitsstelle fürchten.

Remseck - Als sie mit ihrer Tochter bei den Hausaufgaben saß, wusste Daniela Weber, dass etwas nicht stimmen konnte. Immer wieder ließ Mia-Maria das Lineal vom Tisch fallen, ihre rechte Hand konnte es einfach nicht mehr festhalten. Weber setzte ihre Tochter ins Auto, fuhr zum Kinderarzt und fragte sich, was wohl mit Mia-Marie los sei. Der Kinderarzt überwies die Webers zum Neurologen, der schickte sie direkt ins Olga-Hospital. Noch am Abend war klar: Mia-Marie durfte so schnell nicht mehr nach Hause.

Die Siebenjährige wird untersucht, Blut wird abgenommen, sie wird in einen MRT-gerät geschoben. „Ich hatte gehofft, es sei nur ein Schlaganfall“, sagt der Arzt, als er ins Besprechungszimmer kommt. Doch die Nachricht, die er Familie Weber am 18. März überbringt, ist weit schlimmer.

Tennisballgroß ist der Tumor, der in Mia-Maries Kopf steckt, auf dem Ausdruck der MRT-Bild ist selbst für den Laien zu erkennen, dass das eine enorme Größe für den Kopf einer Siebenjährigen ist. Das plastozystische Astrozytom, so der medizinische Fachbergriff, ist zwar gutartig, was bedeutet, dass es kein gesundes Gewebe angreifen wird. Es bedeutet aber nicht, dass der Tumor aufhört zu wachsen, sich auszubreiten, und immer größere Teile des Gehirns zur Seite drängen kann.

Ob die Therapie anschlägt, ist unklar

Die Mediziner im Olga-Hospital raten von einer Operation ab, zu groß sei die Gefahr, irreparable Schäden zu hinterlassen. Auch eine Bestrahlung kommt nicht in Frage, dafür ist die Siebenjährige zu jung, ihre Entwicklung könnte gestört werden. Stattdessen wird Mia-Marie ein Port ans Schlüsselbein gelegt. Dorthinein fließen die Infusionen der Chemotherapie, anfangs jede Woche, mittlerweile einmal pro Monat. Anderthalb Jahre wird das so weitergehen, stets in der Hoffnung der Tumor könnte dadurch verkleinert werden, oder zumindest am Wachstum gehindert. Ob die Therapie tatsächlich anschlägt, kann keiner sagen. Es ist möglich, dass seine Tochter an diesem Tumor sterben wird, sagt René Weber. Das ist der Familie klar.

Mehrmals die Woche muss Mia-Marie ins Krankenhaus, die Blutwerte müssen regelmäßig kontrolliert werden. Wenn sie gut sind, darf Mia-Marie auf den Spielplatz, wenn sie schlecht sind, muss die Siebenjährige zu Hause bleiben, die Ansteckungsgefahr ist dann zu hoch. Windpocken, Masern – normale Kinderkrankheiten können für die Siebenjährige lebensgefährlich sein. „Darunter hat auch das Selbstbewusstsein gelitten“, sagt Daniela Weber. Das Schlimmste für seine Tochter sei der Moment gewesen, als die Haare ausfielen, sagt René Weber. Mia-Marie, die Märchen liebt und ganz besonders die Geschichte von Rapunzel. Nach und nach fielen ihre langen, blonden Haare aus.

Probleme mit Arbeitgeber

Immer dann, wenn Mia-Marie zur Kontrolle muss, oder wenn wieder eine Termin für die Infusionen ansteht, fährt ihr Vater gemeinsam mit seiner Tochter von Remseck ins Krankenhaus nach Stuttgart. Seine Frau bleibt dann zu Hause, sie kümmert sich um Timo (5) und Leni-Fee (3). Arbeiten gehen kann Weber an diesen Tagen nicht – und das ist inzwischen ein Problem. Der Versicherungskaufmann arbeitet für die AOK, Bezirk Stuttgart-Böblingen. Früher war Weber im Außendienst tätig, durch die vielen Fehlzeiten habe er aber nicht mehr so arbeiten können, wie von der Kasse gewünscht, sagt er. Er wurden in den Innendienst versetzt, das Verhältnis zwischen Unternehmen und Arbeitnehmer begann abzukühlen. Zwischenzeitlich habe man ihm einen Auflösungsvertrag angeboten, sagt Weber, den er abgelehnt habe. Dann teilte die AOK ihm mit, den auslaufenden Arbeitsvertrag nicht zu verlängern. „Ich will zu den anderen Ängsten nicht auch noch Existenzsorgen“, sagt Weber. Der 31-Jährige ist der Alleinverdiener der Familie, „wir leben von der Hand in den Mund“. Um seiner Tochter Dinge zu ermöglichen, die sonst nicht finanzierbar wären, haben er und seine Frau eine Facebook-Seite ins Leben gerufen. Ein Verdienstausfall wäre eine Katastrophe für die Familie.

Inzwischen scheint aber auch eine einvernehmliche Lösung wieder möglich. Elisabeth Schöndorf, die Sprecherin der AOK Stuttgart-Böblingen sagte, dass man den Fall von René Weber erneut prüfen wolle, und auf der Suche nach neuen Aufgaben für René Weber sei – auch über das bisherige Vertragsende hinaus.