Gedenkstein für Johannes Hus im Konstanzer Foto:  

Mit interaktiver Grafik - Vor 600 Jahren wurde der Reformator Jan Hus auf dem Konstanzer Konzil hingerichtet. Anlässlich seines Todestags würdigt die Stadt am Bodensee den böhmischen Theologen mit vielen Veranstaltungen. Ein Rundgang.

Theologe, Reformator, Ketzer, Volksheld – der Werdegang von Jan Hus ist erstaunlich, stammte er doch aus ganz einfachen Verhältnissen. Um 1370 herum, das genaue Datum ist unbekannt, wurde er in Böhmen geboren. Als Priester und späterer Rektor der Prager Universität kritisierte er Papst und Klerus, vor allem auch den Ablasshandel. Damit machte er sich viele Feinde. Die Kirche exkommunizierte ihn. 1412 musste er Prag verlassen, weil sich Gegner und Befürworter seiner Lehre immer mehr bekriegten. Zur Klärung und Beruhigung der Lage lud man ihn ein, seine Thesen beim Konstanzer Konzil zu vertreten.

In die Rolle von Hieronymus von Prag schlüpft Stadtführer Henry Gerlach. „Hieronymus war ein wichtiger Weggefährte und Freund von Jan Hus und begleitete ihn auch zum Konzil“, erzählt Gerlach. Er führt dieses Jahr Besucher zu den Orten in Konstanz, die für Hus eine Rolle spielten. Hieronymus, auch aus Böhmen stammend, galt als brillanter Redner und scharfsinniger Denker. Manche hielten ihn sogar für begabter als Hus. Trotzdem ist Hieronymus heute viel weniger bekannt. Im Gegensatz zu Hus scheint es auf dem Konzil, als habe Hieronymus bessere Karten. Er kann flüchten, als das Verfahren gegen seinen Freund eröffnet wird.

Hus und Hieronymus sind auf dem Konstanzer Konzil eigentlich nur Nebenpersonen. Ein Ziel der Megaveranstaltung mit mehr als 70 000 Besucher ist die Wahl eines neuen Papstes. Das Konklave findet 1417 in diesem Gebäude direkt am Wasser statt, heute als Konzilgebäude bekannt. Damals war es ein Kaufhaus. Das 1388 erbaute mehrstöckige Gebäude bietet genug Platz. Konstanz selbst wurde ausgewählt, weil die Stadt über eine gute Verkehrsanbindung, volle Getreidespeicher und Erfahrung mit kirchlichen Ritualen verfügte. Wie man im Mittelalter speiste (etwa gerösteter Dinkelbrei) und trank (zum Beispiel Götterwein), können Besucher heute in der Konzilgaststätte (www.konzil-konstanz.de, Telefon 0 75 31 / 2 12 21)ausprobieren.

Jan Hus wird monatelang eingekerkert

Gerade mal drei Wochen lang lebt Hus unbehelligt in Konstanz, dann wird er verhaftet und eingesperrt, unter anderem im Dominikanerkloster, das heute das Steigenberger Inselhotel beherbergt. Zu Hus’ Zeiten ist der dunkle und finstere Kerker im Turm des Klosters berüchtigt. „Das war ein übler Aufenthaltsort, denn dort war auch die Latrine des Klosters“, erzählt Stadtführer Hieronymus. Über ein halbes Jahr lang wird der Theologe gefangen gehalten. Als endlich der Prozess gegen ihn beginnt, ist er so krank und schwach, dass er in einem Schweizer Schloss erst mal aufgepäppelt werden muss. Hieronymus selbst ergeht es nicht besser. Auf seiner Flucht erkennt man ihn, und er wird zurück nach Konstanz gebracht. Auch er kommt in den Kerker. 350 Tage lebt er in schmutzigen Kleidern, Unrat und Kot, teils mit Händen und Füßen an eine Säule gekettet.

Am 6. Juli 1415 tagt im Münster die Vollversammlung des Konzils, die Hus als Ketzer verurteilt, nachdem er sich weigerte, seinen „Irrtümern“ abzuschwören. Vor der Verurteilung zerstört man seine Tonsur und sein Priesterornat – als Zeichen dafür, dass er kein Priester mehr ist, denn als solcher hätte er nicht von einem weltlichen Gericht verurteilt werden können.Hus erhält einen Hut aus Papier, auf den drei Teufel gemalt sind. Henker geleiten ihn zur Hinrichtungsstätte. Ganz Konstanz ist auf den Beinen, so dass die Brücke über den Stadtgraben von den Menschenmassen einzustürzen droht.

Nach der Hinrichtung von Jan Hus wird seine Asche und die seiner Habseligkeiten in den Rhein gestreut. So soll verhindert werden, dass seine Überreste zu Reliquien werden. Hieronymus ist zu diesem Zeitpunkt noch am Leben. Er zaudert nun und schwört seinen Grundsätzen ab. Dafür erleichtern ihm die Konzilsväter die Haft. Als jedoch neue Anschuldigungen gegen ihn erhoben werden, stellt er sich wieder auf die Seite seiner Glaubensbrüder. Über ein Jahr dauert der Prozess gegen ihn. Am Ende wird auch er im Münster verurteilt und an gleicher Stelle wie Hus verbrannt. Auch seine Asche landet im Rhein.

Die Hinrichtung von Hus und Hieronymus löst schwere Auseinandersetzungen in Böhmen aus, die als sogenannte Hussitenkriege in die Geschichte eingehen. Anders als von den Konzilsvätern erhofft, kann die Lehre der beiden nicht mehr aus der Welt geschaffen werden. Schon das Nachfolgekonzil in Basel setzt sich wieder damit auseinander. In Konstanz bleibt die Erinnerung an die beiden Ketzer lebendig. 1862 wird an der vermeintlichen Hinrichtungsstätte im Stadtteil Paradies ein Findling zum Gedenken an den Tod der beiden Glaubensbrüder errichtet. Ein Ort, der besonders bei tschechischen Besuchern beliebt ist. In Tschechien wird der Nationalfeiertag am 6. Juli gefeiert – das Datum der Hinrichtung von Hus.