Selfie mit einem Flüchtling im September 2015: Merkels Willkommensgesten haben den Flüchtlingszustrom erst so richtig angefacht Foto: dpa

Die Flüchtlingsbilanz des ersten Halbjahres zeigt: Es war die Schließung der Balkanroute, die den Flüchtlingszustrom eingedämmt hat – nicht Merkels fragwürdiger Deal mit der Türkei. Es wird Zeit, meint unser Kommentator Rainer Wehaus, dass Merkel ihre Flüchtlingspolitik als Fehler erkennt.

Stuttgart - Zahlen lügen nicht. Und die Zahlen des ersten Halbjahrs entlarven die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel als ebenso sprunghaft wie wirkungslos. Es war nicht der fragwürdige Flüchtlingsdeal mit der Türkei, der den Zustrom bremste. Es war die Schließung der Balkanroute, die – zunächst gegen Merkels Willen – Anfang März von Mazedonien, Serbien, Kroatien, Ungarn und Slowenien vollendet wurde.

Der Migrationsdruck bleibt hoch

Die Migration nach Deutschland bleibt aber hoch. 22 600 Neuzugänge im Land im ersten Halbjahr sind im Vergleich zu früheren Jahren immer noch ein hoher Wert. Noch immer müssen die Kommunen neue Unterkünfte schaffen, von einer Entspannung kann keine Rede sein. Die Gesellschaft ist gespalten die Sozialausgaben steigen. Derart viele Menschen aus fremden Kulturen in so kurzer Zeit vernünftig zu integrieren, ist schlicht unmöglich. Es wäre schon viel gewonnen, wenn Merkel einsehen würde, dass sie einen Fehler gemacht hat. Dann ließen sich auch leichter Konsequenzen ziehen.

Die Anreize sind noch immer zu hoch

Deutschland muss endlich, wie dies mehrere europäische Politiker seit langem fordern, seine finanziellen Anreize senken. Der neuen Regierung von Baden-Württemberg kommt hier eine Schlüsselrolle zu. Sie tüftelt an einer Geldkarte, die es Flüchtlingen zwar weiter ermöglichen würde, ihren Lebensunterhalt ordentlich zu bestreiten. Es wäre dann aber nicht mehr möglich, Bargeld zu horten und es in die Heimat zu schicken. Zwar bestreiten vor allem die Grünen, dass zwischen Höhe der Geldleistungen und den Zugangszahlen ein Zusammenhang besteht. Aber auch hier lügen die Zahlen nicht: Der Zustrom an Flüchtlingen begann erst in die Höhe zu schießen, nachdem das Verfassungsgericht 2012 eine drastische Erhöhung der Hilfsleistungen verfügt hatte.

rainer.wehaus@stuttgarter-nachrichten.de