An der Unglücksstelle gibt es Überwachungskameras und Bildschirme für die Zugführer. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Ein Fall beschäftigt die Menschen in der Stadt – weil alle sagen: In so einer Situation war ich auch schon einmal. Unser Kommentator Wolf-Dieter Obst kommt zu dem Schluss: Eine Schuldzuweisung ist noch zu früh!

Stuttgart - Es gibt nicht viele Unfälle, die Menschen in Stuttgart und der Region so sehr beschäftigt haben wie der Tod eines Mannes, der in Feuerbach von einer S-Bahn mitgeschleift und getötet wird. Fragen über Fragen: Wie kann es sein, dass man in einer S-Bahn-Tür mit Sicherheitsautomatik eingeklemmt wird? Dass der Lokführer nichts mitbekommt? Und kein Fahrgast in der S-Bahn eingreift?

Der tödliche S-Bahn-Unfall steckt voller Rätsel und Ungereimtheiten. Hat die Technik versagt? Der S-Bahn-Typ ET 423 war dafür schon einmal berüchtigt. 2008 hatte man wegen diverser Zwischenfälle die Türautomatik nachrüsten müssen. Die Bahn musste aufwendig einen Zugbegleiter im zweiten Wagen als Wachposten einsetzen, ehe alle 60 Züge der Generation ET 423 mit neuen Lichtschranken ausgestattet waren.

Doch Vorsicht: Für eine Schuldzuweisung ist es zu früh. Es muss nicht die Technik gewesen sein. Es gibt auch menschliche Faktoren. Etwa, wenn der Lokführer womöglich die Türen zu unvorsichtig zentral geschlossen oder sich der Zeuge bei der Beobachtung des Unfalls in Details getäuscht hätte.

Die bittere Lehre ist jedenfalls: Jeder hat auch ein gewisses Maß an Eigenverantwortung. Die Türen mit dem Arm zum Öffnen zwingen, ist eine Unsitte geworden, die alle anderen Fahrgäste ausbremst. Es wird Zeit, uns wieder der Gefahren bewusst zu werden, die uns nicht nur im Bahnverkehr drohen. Und uns vorsichtiger zu verhalten.

 w.obst@stn.zgs.de