2007 ermordet: Polizistin Michèle Kiesewetter Foto: dpa

Es braucht Parlamentarier, die schnörkellos auf den Ball gehen: Der NSU-Untersuchungsausschuss geht in die Halbzeitpause. Franz Feyder zieht eine Zwischenbilanz.

Stuttgart - Früher, als Fußball noch gespielt und nicht zelebriert wurde, brauchte es solche Verteidiger: kompromisslose Kerle. Vorstopper, Ausputzer, bei denen den gegnerischen Stürmern schon die Knie schlotterten, wenn sie sich nur in der Kabine die Schienbeinschoner in die Stutzen stopften. Hans-Georg „Katsche“ Schwarzenbeck war so einer.

Auch Untersuchungsausschüsse der Parlamente werden erst dann richtig gut, wenn sie mindestens einen solchen „Katsche“ in ihrem Abgeordnetenteam haben. Parlamentarier, die schnörkellos auf den Ball gehen. Die jene Widersprüche suchen, die sich aus den rhetorisch ausgefeilten Aussagen von Zeugen und den Dokumenten in den Akten ergeben. Und die immer dann reingrätschen, wenn ganze Nebelkerzenbatterien diese Widersprüche wieder hinter einem Vorhang grauen Rauchs verbergen sollen.

Der Böblinger Christdemokrat Clemens Binninger und die Sozialdemokraten Eva Hoegl und Sebastian Edathy prägten das Recherchegremium des Bundestages, das die zehn Morde untersuchte, die die Rechtsterroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) begangen haben sollen. Die Sozialdemokratin Dorothea Marx und die Linke Katharina König tun das zum selben Thema in Thüringen.

Und in Baden-Württemberg? Fest steht: Es sind diejenigen im Unrecht, die den 13 Parlamentariern den Willen absprechen, den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn aufklären zu wollen. Die glauben, die rassistische Geheimtruppe Ku-Klux-Klan und dessen Mitglieder in Polizeiuniform seien den Abgeordneten gleichgültig. Der mysteriöse Selbstmord des Neonazi-Aussteigers Florian Heilig interessiere die Volksvertreter einen feuchten Kehricht.

Unter ihrem Vorsitzenden Wolfgang Drexler (SPD) haben die Abgeordneten Defizite in den Ermittlungen zum Tod Heiligs aufgedeckt. Den Plan von Innenminister Reinold Gall, Licht ins baden-württembergische Rechtsextremen-Dunkel durch die Ermittlungsgruppe (EG) „Umfeld“ der Polizei zu bringen, entlarvten sie als Wunschdenken. Und am vergangenen Freitag leiteten sie ein Ermittlungsverfahren wegen uneidlicher Falschaussage gegen einen Chef-Kapuzenmann ein, der die Parlamentarier hemmungslos angelogen hatte – einzigartig in der Geschichte deutscher Untersuchungsausschüsse.

Mitunter wirkt die Ausschussarbeit auf die Zuschauer ermüdend. Das ist kein Wunder, wenn selbst die Zeugen schon darauf hinweisen, dass sie diese Frage jetzt schon zum wiederholten Male beantworten. Wenn den Abgeordneten Detailwissen aus den Akten fehlt, um einen Widerspruch in einer Aussage deutlicher herauszuarbeiten. Aber ist das gleich ein fehlender Wille zur Aufklärung? Wohl nicht. Eher eine durchschnittliche Leistung an manchen Sitzungstagen.

Anders als in den Untersuchungsausschüssen zum NSU geben in Baden-Württemberg die Grünen im Ausschuss mitunter den „Katsche“. Das Abgeordnetentrio um den Juristen Jürgen Filius geht oft unkonventionelle Wege, wenn es Zeugen selbst gefertigte Lichtbildvorlagen mit den Konterfeis von Neonazis vorlegt. Wenn es Aussagen hinterfragt – und so herausfindet, dass die EG „Umfeld“ lediglich die vier bereits bekannten Polizisten zu Umtrieben im Ku-Klux-Klan befragt hatte, die sowieso schon vernommen worden waren. Oder wenn es penibel Defizite in den Ermittlungen zum Fall Florian Heilig offenlegt.

Zwar schlottern den Zeugen vor diesem Grünen-„Katsche“ beileibe noch nicht die Knie. Aber daran können Filius und Co. ja nach der Sommerpause noch weiterarbeiten.