Der Tatort: ein Pendlerparkplatz bei Neuenburg am Rhein Foto: dpa

Es ist traurig, dass an auch in Deutschland immer mal wieder Anlass hat zu erklären, warum Selbstjustiz verabscheuungswürdig ist, meint unser Berliner Korrespondent Norbert Wallet.

Freiburg - Es ist ein trauriges Faktum, dass man auch in Deutschland immer mal wieder Anlass hat zu erklären, warum Selbstjustiz – wie soeben in Neuenburg grausam ausgeübt – etwas zutiefst Verabscheuungswürdiges ist. Aber wer sich etwa im Internet umtut, wird immer wieder auf viel Verständnis stoßen, wenn wieder jemand versuchte, das Recht in die eigene Hand zu nehmen.

Nicht nur unserem Rechtsstaat, sondern im Grunde aller Zivilisation liegt ein Prinzip zugrunde: Ein auskömmliches gesellschaftliches Miteinander ist nur unter der Voraussetzung eines umfassenden Gewaltverzichts zu leben. Nur der Staat darf – gebunden an Recht und Gesetz und Kontrolle – Gewalt ausüben, und auch nur zur Durchsetzung des Rechts.

Das ist keine Theorie, kein Stoff für abgehobene juristische Oberseminare. Wer selbst die Strafe vollstreckt, ist Ankläger und Richter zugleich, ist maßlos und ungerecht, nimmt dem Opfer das Recht auf einen fairen Prozess. Moment, sagen da einige Kurzdenker. Nimmt nicht der Täter, dessen Tat die Selbstjustiz rächen will, seinem Opfer nicht auch jedes Recht? Doch, natürlich. Genau darin liegt ja die Würde des Rechtsstaats, dass er sich nicht gemein macht mit den Tätern, sondern an alles die Elle des für alle geltenden Gesetzes anlegt.

Abstand fördert Gerechtigkeit. Deshalb ist es ein Grundsatz des Rechtsstaats, dass nicht Betroffene Recht sprechen – nicht der Angehörige über den gewaltsamen Tod seines Nächsten, nicht der Betrogene über den Betrüger. Ein Urteil wird im Namen des Volkes gefällt, nicht im Namen des Opfers. Warum wohl? Weil der Betroffene einen anderen Maßstab hat, einen subjektiven. Wenn der aber entscheidet, regiert die Willkür.

n.wallet@stn.zgs.de