Der Mindestlohn gilt für alle – fast jedenfalls Foto: dpa

Wären auch Vertragsamateure im Sport vom Mindestlohn erfasst worden, hätte es womöglich viele Verlierer gegeben. Doch nun siegte der Realitäts-Check über die bisher dogmatische Haltung der Bundesregierung. Das lässt auf weitere Anpassungen des Gesetzes an die Realität hoffen, meint Klaus Köster.

Stuttgart - Der Mindestlohn gehört zu den wichtigsten Projekten, die die SPD und ihre Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles in die Arbeit der Bundesregierung eingebracht haben. Entsprechend gering war bisher die Bereitschaft von Nahles, auf die vielen Wünsche nach Ausnahmen einzugehen. „Den Mindestlohn gibt es flächendeckend ohne Schlupflöcher“, sagte sie fast schon stereotyp. Deshalb hatten Vorschläge, Rentner auch für weniger Geld beschäftigen zu können, ebenso wenig Erfolg wie das Anliegen, die häufigen sechsmonatigen Berufspraktika auszunehmen. Eine zeitliche Staffelung für einige Branchen gehörte bereits zu den größten Zugeständnissen, auf die sich Nahles eingelassen hatte.

Doch wer alles über einen Kamm schert, wird der vielfältigen Realität nur selten gerecht. Dabei können auch diejenigen durch den Rost fallen, die gar nicht gemeint sind, etwa Sportvereine, die Vertragsamateure beschäftigen. Bei rigider Auslegung des Gesetzes wären Vereine womöglich in finanzielle Schwierigkeiten geraten, weil die Einnahmen für den Mindestlohn nicht ausreichen. Vereinen das Leben schwerzumachen kann allerdings kaum der Zweck des Gesetzes sein.

Deshalb kann man nur begrüßen, dass Nahles angesichts der Faktenlage über ihren Schatten gesprungen ist und die Vertragsamateure vom Mindestlohn ausgenommen hat. Die dogmatische Härte weicht einer Haltung, die es zulässt, die Realität aus der Nähe zu betrachten. Zu dieser Realität gehört nach wie vor, dass viele sinnvolle, von beiden Seiten gewünschte Berufspraktika erschwert werden und die Dokumentationspflicht der Arbeitszeiten weit über das Ziel hinausschießt. Es ist zu wünschen, dass nach diesem Etappensieg der Vernunft bald weitere Regelungen gefunden werden, bei denen Praktiker ernst genommen und nicht als Gegner behandelt werden.

k.koester@stn.zgs.de