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  Kein grüner Bürgermeister - der Wind wird rauer, sagt Josef Schunder.  

Stuttgart - Noch vor gut einem Jahr feierten die Grünen in Stuttgart einen triumphalen Erfolg bei der Gemeinderatswahl - jetzt aber hat ihr Leitwolf die bisher schwerste Niederlage seiner politischen Karriere erlitten. Nicht Werner Wölfle, der überaus versierte, profilierte und vernünftige Fraktionschef und der Stimmenkönig der Kommunalwahl, wird Sozialbürgermeister.

Stattdessen kommt die blasse Juristin Isabel Fezer zum Zuge. Es handelt sich um eine klare Fehlentscheidung durch den Gemeinderat. Dabei hatte die Vorstellung der Kandidaten wenige Minuten zuvor nun wirklich keinen Zweifel gelassen, wer vorgezogen werden müsste. Die FDP-Bewerberin präsentierte auf gefällige Weise Worthülsen und eine Auswahl aus dem kleinen Abc der Sozialpolitik. Der Grünen-Kandidat stand für eine Sozialpolitik aus Fleisch und Blut.

Warum dennoch diese Entscheidung? Die Antwort ist einfach. OB Schuster und das bürgerliche Lager wollten den Stuttgart-21-Gegner abstrafen. Sie mussten den Wahlsieger von 2009 zurechtstutzen, der die CDU zur zweitwichtigsten Kraft im Rathaus degradierte. Und der OB, der seit der Kommunalwahl geschwächt und wegen Stuttgart21 unten durch ist, hatte auch wieder mal das Heft des Handelns in der Hand. Ein Abweichler in Wölfles Lager ermöglichte es ihm. Das stärkt das Selbstbewusstsein. Sachlich ist es unbegründet und politisch unklug.

Der Wind wird jetzt noch rauer im Rathaus. Wölfle kann die Diplomatie weiter zurückfahren. Die Wut der Stuttgart-21-Gegner wächst. Der neuen Sozialbürgermeisterin sitzt ein exzellenter Kenner der Sozialmaterie im Nacken. Die CDU hat zwar zunächst Stärke und endlich mal Geschlossenheit demonstriert. Doch es ist ein Scheinsieg. Wölfles Abwanderung auf die Bürgermeisterbank hätte die Grünen-Fraktion geschwächt. Jetzt aber muss die CDU auch um den nächsten Kommunalwahlerfolg bangen - und jeder ihrer drei Bürgermeister um die Wiederwahl, solange die Grünen weiterhin nur einen Beigeordneten stellen.