Was treibt eigentlich das hübsche Wörtchen Winterschlussverkauf so, das früher hier gestanden hätte Foto: dpa

„Schwule Sau darf kein Schimpfwort mehr sein“, zitiert die Deutsche Presseagentur eine lesbische Mutter. Das findet StN-Kolumnist Tom Hörner auch – und hält Ausschau nach neuen Kraftausdrücken, die keinem wehtun.

Stuttgart - In einem Text der Deutschen Presseagentur, in dem es um die Befindlichkeiten von homosexuellen Menschen geht, wird eine lesbische Mutter zitiert: „Schwule Sau darf kein Schimpfwort mehr sein, und Regenbogenfamilien sollen endlich als normal toleriert werden.“ Der Agentur gefiel der Satz so gut, dass sie einen Teil davon in die Überschrift nahm: „Schwule Sau darf kein Schimpfwort mehr sein.“

Als sprachsensibler Mensch fragt man sich: Wenn „schwule Sau“ kein Schimpfwort mehr sein darf, was darf es dann sein? Ein Kosename? Klingt im ersten Moment befremdlich, aber wer weiß, vielleicht werden sich unsere Kinder in nicht allzu ferner Zukunft beim heiteren Fang-mich-Spiel auf dem Schulhof mit „schwule Sau“ anfeuern. Oder der eine Partner der Regenbogenfamilie wird nach getaner Arbeit den anderen Partner mit einem Kuss und „Na, schwule Sau, einen schönen Tag gehabt?“ begrüßen.

Andererseits, machen wir uns nichts vor, auch die beste aller denkbaren Gesellschaften kommt ohne Schimpfwörter nicht aus. Wie aber sollen diese Schimpfwörter beschaffen sein? Gehört der alten Arschgeige die Zukunft? Ich fürchte nicht, werden darin doch betagte Menschen, eine alles in allem notwendige Körperöffnung und ein ehrbares Musikinstrument verunglimpft.

Denkbar wäre, dass bisher völlig unbelastete Wörter als Schimpfwörter herhalten müssen. Wie wär’s etwa mit Winterschlussverkauf? Angeblich gibt es den ja nicht mehr, seit ihn der Einzelhandel abgeschafft und durch Sale ersetzt hat. Dennoch spukt der zur Untätigkeit verdammte Winterschlussverkauf in unseren Köpfen herum. Das Wort ist da, es braucht nur eine neue Aufgabe – und vor allem braucht es, wie jeder anständige Kraftausdruck, ein Eigenschaftswort als Begleiter. In dem Fall könnte ich mir asbachuralt vorstellen. Der Weinbrand mag noch produziert werden, asbachuralt ist asbachuralt. Sagt kein Mensch mehr.

Mag sein, dass asbachuralter Winterschlussverkauf noch nicht das Gelbe vom Ei ist. In einem aber sind wir uns doch einig: Neue Schimpfwörter braucht das Land.