Besonderer Blick über die Schulter bei der Bundespolizei im Stuttgarter Hauptbahnhof. Sogenannte Bodycams sollen die Gewalt gegen die Beamten verringern Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Kleine Videokameras auf der Schulter oder an der Brust sollen der Polizei beim Einsatz helfen. In Stuttgart läuft seit April ein einjähriger Pilotversuch. In 16 Fällen sind seither Aufnahmen gemacht worden.

Stuttgart - Das dritte Auge soll wachsam sein. Und damit schützen und abschrecken. Seit Ende April ist die Stuttgarter Bundespolizei Teil eines Pilotprojekts, zu dem noch vier weitere deutsche Städte gehören. Erprobt werden sogenannte Bodycams. Die kleinen Videokameras werden von Beamten am Körper getragen und können eingeschaltet werden, wenn die Situation brenzlig wird. „Ziel ist es, Angriffe auf Polizisten zu verhindern und strafrechtliche Sachverhalte beweissicher zu dokumentieren“, sagt Bundespolizei-Sprecherin Cora Thiele. Den ersten Erfahrungen nach klappt das gut.

„Die Kollegen zeigen sich bis dato überwiegend zufrieden mit dem Einsatz von tragbaren Kamerasystemen und äußern sich positiv“, weiß Cora Thiele. Insgesamt sind sie seit Ende April 45 Mal getragen worden. In 16 Fällen haben die Beamten die Aufnahmetaste gedrückt und gefilmt. In zwei davon ist das Material danach zur Beweissicherung gespeichert worden. Dabei ging es einmal um fünf unerlaubt eingereiste Personen, die am Bahnhof in Bad Cannstatt Passantinnen belästigt haben. Im anderen Fall wurden drei Täter in der Klett-Passage beim Stehlen eines Feuerlöschers von Sicherheitsleuten erwischt und zückten daraufhin ein Messer. Sie konnten festgenommen werden. „In allen anderen Fällen sind die Aufnahmen später durch einen Dienstvorgesetzten gelöscht worden“, so die Sprecherin.

Einsatz auch bei Fußballspielen

Zum Einsatz kommen die Körperkameras vor allem beim regulären Streifendienst im Hauptbahnhof und im Cannstatter Bahnhof. Die Bundespolizei testet aber auch bei speziellen Anlässen. So ist das dritte Auge auch schon im Rahmen von Einsätzen rund um Fußballspiele benutzt worden.

Neben Stuttgart sind Düsseldorf, München, Köln und Berlin Teil des bundesweiten Versuchs. In München läuft er bereits seit sechs Monaten. In dieser Woche hat man in der bayerischen Landeshauptstadt ein erstes Fazit gezogen, das ebenfalls positiv ausfällt. Dort haben Beamte die kleinen Helfer 125 Mal getragen. In 21 Fällen wurde aufgezeichnet, in vier davon wurden die Aufnahmen zur Strafverfolgung gesichert.

Den Erfahrungen nach reagieren die Menschen ganz unterschiedlich auf die Körperkameras. Einigen fallen sie überhaupt nicht auf, anderen sind sie schlicht egal. Bei nicht wenigen setzt allerdings der erhoffte Effekt ein: Sie lassen sich durch die mögliche Videoaufzeichnung abschrecken und schwenken von Aggression auf Zusammenarbeit mit den Beamten um.

Die Landespolizei muss passen

In Stuttgart setzen zwölf Beamte die beiden Kameras ein. Sie sind dafür extra geschult worden – sowohl in technischer als auch rechtlicher Hinsicht. Sie tragen auf der Uniform einen Aufnäher mit dem Hinweis „Videoüberwachung“ und weisen vor dem Benutzen auch mündlich darauf hin, dass sie jetzt filmen. Getestet werden eine Kamera für die Schulter und eine, die auf Höhe der Brusttasche angebracht ist. Eine endgültige Auswertung und Einschätzung des Pilotprojekts soll es nach einem Jahr geben.

Wann die Landespolizei in Baden-Württemberg nachzieht und ebenfalls mit Minikameras ausgerüstet wird, ist derzeit noch offen. Denn kurioserweise ist sie derzeit nicht berechtigt, ein solches System einzusetzen. „Dazu muss man zuerst das Polizeigesetz ändern“, sagt ein Sprecher des Innenministeriums. Das Gesetzgebungsverfahren laufe derzeit, „im Prinzip“ seien sich alle Fraktionen im Landtag darüber einig, solche Körperkameras künftig zu erproben. Die Bundespolizei ist da schon weiter. Sie darf das in Baden-Württemberg tun, weil sie auf einer anderen rechtlichen Ebene agiert.