Idylle mitten in Esslingen: Im Garten des historischen Klosters St. Klara fühlen sich heute die Bewohner des Altenpflegeheims Obertor wohl. Klicken Sie sich durch die Bildergalerie. Foto: Leif Piechowski

Mittelalter-Flair und Oase der Ruhe findet man im Esslinger Pflegeheim Obertor.

Esslingen - Wer hinter der gut vier Meter hohen mittealterlichen Mauer steht, wird unweigerlich neugierig: Was sich dahinter wohl verbirgt? Der Blick durch das Hauptportal fällt auf eine ehemalige Klosteranlage, einen märchenhaften Garten – und Menschen, die dort ihren Lebensabend verbringen.

Und wieder ist ein Abschnitt geschafft: Die Restaurierung des historischen Frauenklosters St. Klara in Esslingen steht kurz vor dem Abschluss. Jetzt sind rund 130 Meter der wie das Kloster rund 700 Jahre alten Mauer stabilisiert worden. Efeu und andere Gewächse hatten den Mörtel verdrängt. Teilweise drohte die Mauer, die an der Hindenburgstraße mehr als vier Meter hoch ist und an der Katharinenstraße knapp drei Meter, einzustürzen. Jetzt wurde sie fachgerecht restauriert und original mit Ziegeln gedeckt.

135.000 Euro sind in diese Maßnahme geflossen, ein Nasenwasser, gemessen an der Gesamtinvestition von zwölf Millionen Euro, die die Generalsanierung der Immobilie bisher gekostet hat. Doch die Entscheidung, das 10.000 Quadratmeter große Gelände mitten in der Esslinger Innenstadt weiter als Altenpflegeheim zu nutzen, werten Thilo Naujoks, Leiter der Städtischen Pflegeheime, und Torsten Ziegler, Leiter des Altenheims Obertor, als absolut richtig. „Das ist eine Oase der Ruhe hier, die Klostermauer schafft etwas Beschützendes – ganz anders als ein Zaun das könnte“, sagt Naujoks. Und so sei die Nachfrage nach diesem Alterssitz groß: „Dieses Haus ist immer voll.“

Das Kloster St. Klara des Frauenordens der Klarissen wurde vermutlich noch im 13. Jahrhundert gebaut – erstmals erwähnt ist es 1304. Nach der Reformation wurde es aufgelöst und 1536 zum Spital und Armenhaus. Die alten Mauern erlebten dann eine wechselvolle Nutzung: 1674 wurden sie Lazarett, 1818 Kranken- und Armenanstalt, seit 1923 wurden sie als Altenheim genutzt. In den 1960er Jahren wurde die Anlage um einen Neubau erweitert, der inzwischen schon zweimal saniert wurde. Zwischen 1999 und 2001 wurde auch der denkmalgeschützte historische Teil restauriert. Ein Wintergarten verbindet inzwischen Alt- und Neubau

Wer in den alten Klosterräumen wohnt, muss aber auch Nachteile in Kauf nehmen

Jetzt leben in dem Altenpflegeheim 152 Menschen, 34 von ihnen hinter den 700 Jahre alten Mauern. „Es ist schon eine besondere Atmosphäre dort“, bestätigt Torsten Ziegler. In den Einzel- und Doppelzimmern gibt es die großen, breiten Fenstersimse vieler historischer Gebäude, der Flur ist breit und hat auf einer Seite Fenster: „Tageslichtflure sind in Altenheimen sonst selten“, sagt Thilo Naujoks. Er selbst liebt den großzügigen Festsaal, der bei den Sanierungen des Kulturdenkmals Bestandsschutz hatte: In Neubauten geht es um jeden Quadratmeter, da sei ein solcher Saal, der zeitweise auch leer steht, nicht denkbar.

Wer in den alten Klosterräumen wohnt, muss aber auch Nachteile in Kauf nehmen. So teilen sich im ehemaligen Dormitorium (Schlafsaal) der Klarissen je zwei oder drei Bewohner ein Badezimmer. Dieser Standard ist eigentlich überholt: „Das ist der alten Bausubstanz geschuldet“, sagen die Heimleiter. Das Preis-Leistungs-Verhältnis sei dort dafür sehr gut: Der Mietpreis im Denkmalbau liegt monatlich rund 150 Euro unter dem im angrenzenden Neubau und sogar rund 360 Euro unter dem im hochmodernen Altenpflegeheim in der Pliensauvorstadt.

Die oberen Stockwerke im Fachwerk-Gebäudeteil müssen saniert werden

Die U-förmigen Klostergebäude umschließen den Kreuzgarten, heute Rosengarten genannt. Auf einer Seite ist er offen: Dort stand bis 1702 die Klosterkirche, die damals einstürzte. Der Garten ist so etwas wie das Herz des Altenpflegeheims. Dort finden Gymnastikstunden und Gesprächsrunden statt, Angehörige unterhalten sich mit den Bewohnern, es gibt stille Bereiche zum Lesen und Rückzugsmöglichkeiten für Mitarbeiter während der Pause. Für Gottesdienste im Freien, aber auch für Grillabende und Feste kommt der Garten ebenfalls wie gerufen.

Eine einzige Baumaßnahme steht für die nächsten Jahre hinter den Klostermauern noch an: Die oberen Stockwerke im Fachwerk-Gebäudeteil müssen saniert werden. Dort sind bisher Schwesternzimmer und Räume für Altenpflegeschüler untergebracht. Thilo Naujoks hat die Idee, dort Apartments für betreutes Wohnen einzurichten. Würde der große Dachboden mitgenutzt, wären sechs Apartments oder mehr machbar. „Die Lage mitten in der Innenstadt ist hochattraktiv“ – Naujoks rechnet mit einer großen Nachfrage. Völlig offen ist noch, ob die Wohnungen einmal verkauft oder vermietet werden. Besitzerin des Altenheims ist – über den Eigenbetrieb städtische Pflegeheime – die Stadt Esslingen. Deshalb liegt die Entscheidung über die Modalitäten für den Umbau beim Gemeinderat. „Ich hoffe auf eine Entscheidung 2013“, sagt Naujoks. Innerhalb von fünf Jahren, so hofft er, kann die vorerst letzte Umbaumaßnahme dann über die Bühne gehen.