Wie viel Religion mit der Identität zu tun habe, wollte Susanne Wetterich von den Schülern im Augustinum wissen. Foto: Horst Rudel

Schüler haben mit Bewohnern des Augustinums über Heimat und Religion diskutiert.

S-Nord - Lena Gorelik ist als Elfjährige nach Deutschland gekommen. Obwohl sie nach dem jüdischen Glauben erzogen wurde, spielte die Religion in ihrem Leben lange Zeit kaum eine Rolle – bis ihr Sohn auf die Welt kam. „Von diesem Zeitpunkt an hatte ich das Bedürfnis, die jüdischen Traditionen zu leben und meinem Kind zu zeigen“, erzählt die Schriftstellerin in einem Dokumentarfilm, in dem es um die Erfahrungen jüdischer Einwanderer aus Russland in Deutschland geht. In ihrem Alltag spüre sie immer mehr, dass sie Jüdin sei, sagt Gorelik.

Heimat und Religion – das gehört für viele Menschen zusammen. Genau darüber wollte die Moderatorin Susanne Wetterich mit den Schülern der Kräherwaldschule und Bewohnern der Seniorenresidenz Augustinum auf der Basis des Films diskutieren. „Die Frage der Religion hat auch viel mit der eigenen Identität zu tun“, meinte Wetterich, die auch für die Programmkoordination der jüdischen Kulturwochen verantwortlich ist. Religion sei für viele ein Teil der Heimat.

Wie schwierig dieses Thema ist, wurde schnell deutlich. Auf die Frage, welche Rolle Religion im eigenen Leben spielt, mochte zunächst niemand antworten. Die Älteren waren es schließlich, die sich zuerst zu Wort meldeten und über ihre Erfahrungen berichteten. Allerdings waren nur sieben Bewohner der Seniorenresidenz in den Theatersaal gekommen, um sich an der Diskussion zu beteiligen.

„Für viele Jugendliche spielt Glaube kaum mehr eine Rolle“

Als erster Schüler gab sich der Zwölftklässler Felix einen Ruck. „Für viele Jugendliche spielt Religion und Glaube heute kaum mehr eine Rolle“, sagte er. Gerade junge Menschen würden sich heute an anderen Dingen orientieren. Ob das für ihn anders wäre, wenn er plötzlich in einem fremden Land leben würde, konnte er nicht sagen. Er könne sich nicht recht vorstellen, auszuwandern, meinte der Schüler.

Ähnlich äußerte sich sein Klassenkamerad Luc: „Ich glaube nicht, dass ich ausgerechnet in der Religion meinen Frieden finden würde“, meinte er. Auch wenn er ins Ausland ziehen würde, werde sich daran seiner Meinung nach nichts ändern. Er selbst habe nie religiöse Bräuche gelebt und kann sich auch nicht vorstellen, diese seinen Kindern zu vermitteln.

Einig waren sich die Senioren und die Schüler, dass gerade für kleine Kinder religiöse Rituale wichtig sind. „Kinder finden gemeinsames Beten wunderschön“, sagte Ursula Buttgereit, eine Bewohnerin der Seniorenresidenz. Aber von Kindern könne man nicht erwarten, dass sie schon ein tieferes religiöses Verständnis hätten.

Die Gesellschaft hat sich verändert

Wetterichs Fazit am Ende der Debatte: Das Thema Glaube, Religion und Identität treibe auch Jugendliche um. Allerdings habe sich die Gesellschaft stark verändert: „Es geht nicht mehr um die Frage, bin ich katholisch oder evangelisch, wie noch in meiner Jugend“, so ihr Eindruck. Jugendliche beschäftigten sich allgemeiner mit Religion. Für sie sei Glaube nicht mehr mit der Institution Kirche verknüpft.

Seit 2004 organisiert die Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs gemeinsam mit zahlreichen Kulturinstitutionen die „Jüdischen Kulturwochen“ in Stuttgart. Ziel ist es, jüdisches Leben und die Geschichte vorzustellen. Das diesjährige Motto dreht sich ebenfalls um das Thema Heimat: „Wer nicht hinauskommt, kommt nicht heim – Juden und ihre gefundene Heimat.“