Mobilmachung im August 1914 in Deutschland: Bayerische Soldaten winken in euphorischem Glauben an einen schnellen Sieg. Foto: dpa

Bernhard Thalacker vom Verein für Heimat und Kultur referiert im Museum unter der Y-Burg über die Rolle der Kirchen im Ersten Weltkrieg.

Stetten - Die Euphorie, mit der die Soldaten 1914 in den 1. Weltkrieg zogen, haben die Mitglieder des Vereins für Heimat und Kultur in der Ausstellung „Mit Hurra in den Untergang“ im Museum unter der Y-Burg auf vielfältige Weise dokumentiert. Zum Abschluss der Schau hat sich der Stettener Bernhard Thalacker mit der Rolle der Kirchen beschäftigt.

Bernhard Thalacker. Foto: privat
„Mit Gott für Kaiser und Vaterland?“ hatte Bernhard Thalacker seinen Vortrag zur Finissage überschrieben, zu der am Sonntag rund 40 Zuhörer in den Museumskeller kamen. Krieg sei eine gängige Praxis des europäischen Christentums, christlich geprägte Legitimationsformeln für Kriege gebe es viele, erklärte er. Die Kirchen hätten sich 1914 in den Dienst der moralischen Stabilisierung ihres Volkes gestellt, und das auch von den Kanzeln gepredigt, und zwar in allen großen Kirchen Europas. „Und jede Kirche reklamierte für sich das Recht, einen gerechten Krieg zu führen und glaubte, dass der liebe Gott mit ihren gerechten Waffen ist.“ Die russisch-orthodoxe Kirche habe Kaiser Wilhelm II. sogar als Antichristen eingestuft. In den Kirchen aller beteiligten Länder habe damit der Nationalismus über den Glauben gesiegt.

Beispiele für die unheilige Allianz im Namen Gottes hatte Bernhard Thalacker viele gefunden

Beispiele für die unheilige Allianz im Namen Gottes hatte Bernhard Thalacker viele gefunden. Nachdem Kaiser Wilhelm II. im August 1914 die Mobilmachung verkündet hatte, stimmten vor dem Schloss in Berlin rund 1000 Menschen den Choral „Nun danket allen Gott“ an. Und wenn die Soldaten aus der Stadt marschierten, läuteten die Kirchenglocken. „Die Kriegseuphorie ist vor allem vom Bildungsbürgertum und den Kirchen angeheizt worden.“ Staat und Kirche seien nicht voneinander zu trennen gewesen. Schließlich sei Kaiser Wilhelm zugleich auch Oberhaupt der evangelischen Kirche Preußens gewesen.

Zum anderen hätten sich aber auch die Kirchen durch den Krieg eine moralische und sittliche Neuordnung der Gesellschaft und eine stärkere Hinwendung zum Christentum erhofft, sagte Bernhard Thalacker. Tatsächlich seien über Nacht die Kirchen wieder gut besucht worden. Aber nur, weil kurzzeitig aus gottverlassenen Weltkindern suchende Gotteskinder geworden waren. Doch nach dem Krieg hätten sich viele abgewandt und seien nur wenig später, als die Nationalsozialisten die Macht ergriffen, in ihrer Haltung bestätigt worden.

Für das Militär hingegen schien der kirchliche Segen etwas völlig normales zu sein

Ausnahmen von der Regel habe es nur wenige gegeben, sagte Bernhard Thalacker. Freikirchen wie Mennoniten, Quäker und Zeugen Jehovas hätten den Kriegsdienst verweigert und dafür auch Gefängnisstrafen in Kauf genommen. Für das Militär hingegen schien der kirchliche Segen etwas völlig normales zu sein, erklärte der Referent und zitierte General Helmuth von Moltke mit den Worten „der Krieg gehört in die göttliche Weltordnung“.

Erschreckend sei aber auch, dass die Erfahrungen aus den Jahren 1914 bis 1918 nach dem Krieg keinen Auswirkungen hatten, sagte der Referent. „Die Kirchen blieben blind für die Zeichen der Zeit und taub für die Stimmen, die vor dem Nationalismus warnten.“ Auch deshalb hätten nur wenige Jahre später die Katholiken wieder brav ihre Kriegspflicht erfüllt, und die Protestanten den Krieg erneut befürwortet. Dabei habe der 1. Weltkrieg und die ausbleibende Erneuerung der Kirchen wie kaum ein anderes Ereignis die Säkularisierung beschleunigt.

Bernhard Thalacker konstatierte, dass die Kirchen bis heute wenig aus den Weltkriegen gelernt haben

Bernhard Thalacker konstatierte, dass die Kirchen bis heute wenig aus den Weltkriegen gelernt haben. Die Frage bleibe, ob sich die Menschheit noch immer mit Hurra in den Untergang jagen ließe, oder ob sie selbstständig genug geworden ist, und ob die Selbstständigkeit überhaupt gefördert werde. „Oder ob wir nicht doch klein und manipulierbar bleiben sollen.“