Ein Fall für die Abrissbirne: Die Kirche St. Peter in Bad Cannstatt war zu teuer im Unterhalt und zu groß für die Zahl der Gottesdienstbesucher. Foto: Lichtgut/Volker Hoschek

Stadtdekan Christian Hermes schwört die Katholiken darauf ein, beim Umbau der Stadtkirche nicht nachzulassen. Obwohl der Stadtdekanatsrat einen Rekordhaushalt in Höhe von 51 Millionen Euro verabschiedet hat, mahnt Hermes: „Der Geldsegen muss zum Segen für die Menschen werden“

Stuttgart - Darf der oberste Hirte der Stuttgarter Katholiken Stolz empfinden? Am Mittwochabend präsentierte Stadtdekan Christian Hermes in der Sitzung des Dekanatsrates seine Haushaltszahlen und zog Bilanz. Dabei war tatsächlich ein Anflug von Stolz beim Monsignore nicht zu übersehen. Allerdings dürfte diese Art des Stolzes durchaus gottgefällig gewesen sein. Denn Hermes gilt alles andere als selbstgerecht. Er empfindet lediglich Genugtuung, dass sein Haus nach einigen Umbauarbeiten nun auf einer soliden Basis steht – finanziell ohnehin.

Die Kirchensteuerzuweisungen sind erneut um sechs Prozent (780 000 Euro) gestiegen. Damit konnte Hermes den Delegierten im Haus der Katholischen Kirche einen Rekordhaushaltsplan für 2017 in Höhe von 51 Millionen Euro präsentieren. Allerdings warnte der Stadtdekan davor, in Jubelarien auszubrechen. Denn die Steigerung der Kirchensteuerzuweisung sei der „außerordentlich guten Konjunktur und damit verbunden dem hohen Lohn- und Einkommensteueraufkommen zu verdanken, nicht etwa einer steigenden Zahl von Mitgliedern“. Das Gegenteil ist der Fall: Nachdem im Jahr 2014 nach der Änderung des Verfahrens zur Erhebung von Kirchensteuer auf Kapitalerträge die höchste Zahl von Austritten seit dem Zweiten Weltkrieg zu verzeichnen gewesen ist, sei die Zahl der Austritte vergangenes Jahr zwar zurückgegangen, aber auf hohem Niveau geblieben. Soll heißen: Der aktuelle Geldsegen ist verführerisch, bietet aber keine Rechtfertigung dafür, sich zurückzulehnen. „Ich bin manchmal ratlos, dass Verantwortungsträger in unserer Kirche diese absehbaren Entwicklungen so wenig ernstnehmen“, sagte Hermes. „Ich bin sehr sicher: Wir müssen im Blick auf unsere Strukturen, unsere Angebote, unsere Finanzierung, unser geistliches Profil, unsere missionarischen Bemühungen zügig und mit weit größeren Anstrengungen in die Pedale treten“,betonte er.

Hermes baut Kompetenzzentren auf

Damit ist das Stichwort gegeben: Seit drei Jahren befindet sich die katholische Kirche in Stuttgart in der Umsetzung des Prozesses „Aufbrechen“. In manchen Gemeinden verlief dies nicht ohne (Verlust-)Schmerzen. In Bad Cannstatt etwa, wo die Kirche St. Peter geschleift wurde. Darüber hinaus ist die Bauabteilung der Kirche derzeit bei 19 weiteren kirchlichen Standorten am Werk. Um so wichtiger ist es Hermes, die positiven Wirkungen seiner Umbaumaßnahmen herauszukehren. „Ich bin dankbar und glücklich, dass sich nicht mehr nur Blätter und Knospen, sondern auch erste Früchte des Aufbruchs zeigen“, sagte er in seiner Haushaltsrede. Gemeint sind die neuen und geplanten Knotenpunkte der Stadtkirche, in denen sich die Kompetenzen in den Bereiche Musik, Jugend, Jugend, Trauerarbeit oder Spiritualität konzentrieren.

„Alles das geht gut und, wie ich ehrlich sagen möchte, besser, als ich es erwarten konnte“, sagte Hermes. „Vieles ist aufgebrochen und in Bewegung gekommen. Das wird auch außerhalb von Stuttgart aufmerksam wahrgenommen. Und damit können wir zufrieden sein“, meinte er. Dazu gehöre auch, dass bis Ende Januar alle leitenden Pfarrstellen wieder besetzt werden konnten, „wovon andere Regionen unserer Diözese nur träumen können“.

Kirchen müssen für elf Millionen Euro saniert werden

Gleichwohl gilt das Motto des Stadtdekans, sich „nicht der süßen Verführung“ hinzugeben. Die Herausforderung für die Jahre 2018 bis 2022 sind erkannt. Da sind die Risiken, die in der Wirtschaftslage, der demografischen Entwicklung oder in den Zuweisungen der Kirchensteuern lauern. Aber da sind auch aktuelle Belastungen. Der Investitionsaufwand für Gebäude ist enorm. Für Kirchen wird mit elf Millionen Euro angesetzt, für Gemeindehäuser sind es 21 Millionen, für Kitas acht Millionen und für pastorale Zentren vier Millionen Euro. Damit ist die Ansage für die Zukunft klar: Weiter sparen, weiter in die Pedale treten – und dann stolz auf das Geleistete zurückblicken.