Was den Zölibat betrifft, ein Herz und eine Seele: Benedikt und Franziskus Foto: dpa

Warum die Katholische Kirche am Zölibat festhält und warum sich auch unter Papst Franziskus daran nichts ändern wird.

Stuttgart - Schätzungen zufolge sind in den vergangenen vier Jahrzehnten weltweit mehr als 100 000 Priester aus ihrem Amt ausgeschieden, weil sie das Keuschheitsgelübde gebrochen haben oder nicht mehr nur im Geheimen mit einer Frau oder einem mann zusammenleben wollten.. In Deutschland wird nur noch jede zweite bis dritte Pfarrei von einem eigenen Seelsorger betreut.

Zölibat ohne Wenn und Aber

In der römischen Bischofssynode von 2005 wurde der Zölibat zwar thematisiert, aber eine Mehrheit unter den Bischöfen fand sich zur Reform nicht. Auch Papst Benedikt XVI. hat nie einen Zweifel darangelassen, dass die Kirche unter ihm nicht am Zölibat rütteln wird. Das Zölibat sei „ein wertvolles Geschenk und ein Zeichen der ungeteilten Liebe zu Gott und den Mitmenschen“. Im Apostolischen Schreiben vom 13. März 2007 bestätigte er den priesterlichen Zölibat – ohne Wenn und Aber. Daran hat sich auch unter Papst Franziskus nichts geändert.

Für die kirchliche Führungsriege – den Papst, die Kardinäle und rund 4800 Bischöfe – ist Kritik am Zölibat unannehmbar. Denn was wäre, wenn es das Zölibat nicht mehr gäbe? Wenn Priester ein normales bürgerliches Dasein mit Scheidung, Geliebter oder missratenen Kindern führten? Erst das Zölibat untermauert die Einzigartigkeit ihrer Lebensform und legitimiert die herausgehobene Stellung der mehr als 410 000 Kleriker gegenüber den rund 1,2 Milliarden Laien (Zahlen aus dem „Päpstlichen Jahrbuch“ von 2013).

„Ausdruck der verkrampften Einstellung zur Sexualität“

Der Tübinger Theologe und Kirchenkritiker Hans Küng, der erst vor kurzem seinen 85. Geburtstag feierte, sieht im Zölibatsgesetz einen „wesentlichen Pfeiler des römischen Systems“. Die Pflicht zur Ehelosigkeit sei der „strukturell wichtigste Ausdruck einer verkrampften Einstellung der katholischen Kirchenleitung zur Sexualität“.

Seit Jahrhunderten hält die Kirche unbeirrbar am Ideal der „vollkommenen Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen“ fest. Als „Zeichen der universalen Einheit“, wie es in der Theologie heißt. Doch hinter dem religiösen Argument, das Zölibat sei ein außergewöhnlicher Weg der Christusnachfolge, verbergen sich knallharte Machtinteressen. Ohne Zölibat würde das zentralistische Machtgefüge der Kirche kaum aufrechtzuerhalten sein.

Kaum 100 neue Priesteramtskandidaten: Wo soll das enden?

Der Priesterberuf verliert gerade in Deutschland rapide an Attraktivität. Kaum mehr als 100 neue Priesteramtskandidaten wurden 2013 in den Konvikten der 27 deutscher Bistümer gezählt. „Der Hauptgrund hierfür ist, dass Religion als Beruf für die meisten jungen Leute weit weggerückt ist. Kirche spielt in ihrem Leben praktisch keine Rolle mehr“, erklärt der Theologe und Jesuit Medard Kehl, der auch als emeritierter Professor Dogmatik an der Philosophisch-theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main lehrt.

Eine seit langem diskutierte Alternative wäre es, neben Frauen zu Diakonen auch sogenannte „Viri probati“ – also im Beruf, in der Ehe und Gemeinde erprobte Männer – zu Priestern zu weihen. Doch in Rom schreckt man vor einem solchen tief greifenden Einschnitt in die lange Tradition der Kirche zurück. Die Beharrungskräfte im Vatikan sind groß, schließlich könnte jede Veränderung in zentralen Identitätsfragen zum Dammbruch führen.