Am 19. Mai 2007 feiert Cacau mit dem VfB Stuttgart die Meisterschaft. Foto: dpa

Der gebürtige Brasilianer Cacau (35) beendet seine Laufbahn als Fußball-Profi. „Man verliert einiges am Karriereende, gewinnt aber auch vieles dazu“, sagt der Ex-VfB-Spieler, den ein Job im Management reizen würde

Cacau, wann haben Sie das letzte Mal Fußball gespielt?
Neulich war ich beim Benefizspiel von Viva con Agua im Gazistadion dabei. Ich habe mich gefreut, dass ich wieder mal gespielt und sogar ein Tor geschossen habe. Zum Sieg hat es leider nicht gereicht. Ich war im Team der Musiker um Cro – auf der anderen Seite standen lauter Ex-Profis. Die wollten unbedingt gewinnen.
Würde die Fitness auch noch für ein richtiges Fußballspiel reichen?
Dank meiner Frau bin ich topfit. Sie hat für ihren ersten Marathonlauf am Sonntag in München trainiert und mich als Trainingspartner engagiert. Ich kann also länger laufen als je zuvor.
Trotzdem haben Sie sich entschieden, Ihre Profikarriere zu beenden. Warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen?
Weil wir innerhalb der Familie beschlossen haben, dass wir vorerst hier in Korb bleiben wollen. Unsere Kinder gehen hier zur Schule und haben Freunde, wir sind voll integriert. Wir wollten die Kinder nicht aus ihrem Umfeld reißen. Und alleine irgendwo hinzugehen, kam für mich nicht in Frage.
Was hätte es für Möglichkeiten gegeben?
Es gab bei meinem Berater Dietmar Ness viele Anfragen aus unteren Ligen und aus dem Ausland. Aber eher aus exotischen Ligen, bei denen ich nicht genau gewusst hätte, worauf ich mich einlasse. Das wollte ich nicht. Es war also nichts Passendes dabei.
Liegt das auch daran, dass heutzutage auf immer Jüngere gesetzt wird und Spieler über 30 zum alten Eisen gehören?
Mag sein. Der Fußball hat sich sehr verändert. Ich halte es bei aller Wertschätzung der Nachwuchsarbeit für problematisch, dass ältere Spieler immer weniger gefragt sind. Ich glaube, dass irgendwann wieder der Zeitpunkt kommen wird, an dem die Vereine merken, dass nicht nur jugendliche Power wichtig ist, sondern auch Erfahrung. Das soll nicht verbittert klingen. Ich bin sehr dankbar für all das, was ich erleben durfte.
Wie schwer fällt das Karriereende, wenn man fast das ganze Leben Fußball gespielt hat?
Ich habe es zuletzt sehr genossen, plötzlich so viel Zeit zu haben. Wir waren mit der Familie das erste Mal in einem klassischen Sommerurlaub. Im Wohnmobil in Italien.
Ein Fußballprofi auf dem Campingplatz? Das dürfte ein Novum sein.
Das war immer ein Traum von uns. Eine Woche Adria, eine Woche Toskana. Ein paar Mitcamper haben sich gewundert, in Bibione sind ja viele Touristen aus Deutschland. Aber es war toll.
Gar keine Wehmut, wenn am Wochenende der Ball rollt und Sie vor dem Fernseher sitzen?
Ich kann nicht leugnen, dass mir der Fußball fehlt. Seit ich ein kleiner Junge war und mein erstes Turnier gespielt habe, hatte ich immer das Ziel, erfolgreich zu sein. Ich war dann 15 Jahre Profi, es ging Schritt für Schritt nach oben. Natürlich entsteht da erst einmal eine Lücke, wenn man aufhört. Ich glaube, dieser Übergang ist die schwierigste Phase im Leben eines Fußballers.
Es wirkt aber nicht so, als müsste man sich um Sie Sorgen machen.
Das sehe ich auch so. Ich spüre ja, dass das, was ich als Fußballer erlebt habe, nicht unersetzlich ist. Ich sammle ganz neue Erfahrungen, denn ich kann zum Beispiel abends ausgehen. Und ich kann neue Ziele angehen: So werde ich mir vermutlich schon in diesem Winter meinen Traum erfüllen, Skifahren zu lernen. Man verliert am Karriereende also einiges, gewinnt aber auch vieles dazu.
Was bleibt hängen von Ihrer Zeit als Profi?
Alle meine Träume haben sich erfüllt. Das sind bleibende Erinnerungen: meine Anfangszeit in Deutschland, auf tiefen Plätzen und ohne vernünftiges Gehalt. Mein schneller Aufstieg von der fünften Liga in die Bundesliga innerhalb von fünf Monaten. Dann kam mein Wechsel nach Stuttgart; die Meisterschaft mit dem VfB, als die ganze Stadt Kopf stand. Und dann, als sich dachte, besser kann es nicht mehr werden, kam auch noch die Berufung in die Nationalmannschaft und die WM 2010 in Südafrika.
War das der emotionale Höhepunkt Ihrer Karriere: das Tor im Spiel gegen Australien?
Noch heute bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich dieses Tor sehe. Damals war während des Spiels ein Kamerateam im Wohnzimmer meiner Familie in Brasilien – da haben sich unbeschreibliche Szenen abgespielt. Das war eine Explosion der Emotionen. Aber auch die Meisterschaft des VfB war ein großartiger Höhepunkt. Ich kann mich noch gut an den Saisonbeginn erinnern, als ich mit Fernando Meira und Pavel Pardo darüber sprach, dass uns womöglich der Abstiegskampf bevorsteht. Und dann werden wir Meister! Unvorstellbar schon damals – noch unfassbarer aus heutiger Sicht, wenn man sieht, wie weit der VfB davon jetzt entfernt ist.
In Ihrer letzten Saison jedoch sind nicht nur die VfB-Profis abgestiegen, sondern auch die zweite Mannschaft, für die Sie noch einmal gespielt hatten. Trübt das Ihre Bilanz?
Nicht entscheidend. Natürlich hätte ich mir ein anderes Ende gewünscht. Aber das ändert nichts an meinem Gesamtgefühl. Im Rückblick ist mir noch einmal bewusst geworden, wie viel Erfolg ich hatte. Ich war erst neulich in Brasilien und habe mich mit den Jungs von früher getroffen, alles tolle Fußballer. Aber ich bin der Einzige, der es so weit gebracht hat. Jetzt habe ich große Lust, andere neue Dinge anzugehen. Das hat mir die Entscheidung erleichtert. Ich freue mich über das, was war – und ich freue mich, über das, was kommt.
Wie wird Ihre Zukunft aussehen?
Ich habe bereits meinen ersten Trainerschein gemacht und will weitere folgen lassen. Aber meine Gedanken gehen eher in Richtung Management. Deshalb mache bei der ESM-Academy in Nürnberg ein Sportmanagement-Fernstudium. Diese Woche beginne ich damit, die erste Vorlesung habe ich schon gehört.
Warum reizt Sie das mehr als eine Trainertätigkeit?
Weil die Aufgabe des Managers so komplex ist. Als Spieler hat man vor allem sich selbst im Blick, als Trainer die Mannschaft. Ein Manager aber kümmert sich um das große Ganze im Verein, er kann alles beeinflussen: den Nachwuchs, die Scouts, die Neuzugänge, die Finanzen. Es reizt mich, in einem Team zu arbeiten und die Grundlagen dafür zu legen, dass sich Trainer und Mannschaft auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren und erfolgreich sein können. Es ist das Problem vieler Clubs, dass sie kein richtiges Konzept haben, das sie konsequent verfolgen.
Dazu hat jahrelang auch der VfB gehört, sonst wäre er nicht abgestiegen.
Das sagen Sie so. Jetzt habe ich aber einen guten Eindruck von Jan Schindelmeiser. Er hat klare Ideen und lebt den Teamgedanken vor. Ich hoffe und glaube, dass der VfB dieses Jahr aufsteigt. Trotzdem wird es Jahre dauern, bis der VfB wieder dort ist, wo er einmal war. Es gibt so viele Dinge, an denen man arbeiten muss.
Sie könnten doch behilflich sein. Es hieß ja ohnehin immer, der VfB wolle Sie einbinden, sobald Sie Ihre Karriere beenden.
Das hieß es immer, aber es gab nie eine konkrete Absprache. Meine Verbundenheit zum VfB ist bekannt, ich hänge mehr am Verein, als ich es gedacht hätte. Wenn sich sinnvolle Perspektiven im Sportlichen für mich auftun, würde ich beim VfB natürlich etwas machen. Aber ich kann auch nicht ausschließen, dass ich woanders hingehen könnte. Wenn sich hier kein Platz findet, dann vielleicht bei einem anderen Verein. Wichtig ist für mich nur, dass ich jede Woche sportlich etwas bewegen kann und nicht in einem Gremium sitze, das in großen Abständen tagt.