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Wer in Stuttgarter Bestlage einen Laden aufmachen will, muss längst mehr als hohe Mieten zahlen.

Stuttgart - Für 500 000 Euro Ablöse gibt’s in der Fußball-Bundesliga ein Nachwuchstalent oder einen mittelmäßigen Kicker. Für eine halbe Million lässt sich aber nicht nur ein Fußballer aus seinem Vertrag herauskaufen. Man könnte diese Summe auch in die Ablöse für einen Laden investieren. Sofern man auf der Königstraße an eine der begehrten Flächen in Bestlage kommen will.

Die sind in Händlerkreisen höchst beliebt – sofern man das nötige Kleingeld hat. Die Stuttgarter Vorzeigemeile belegt bei Passantenzählungen seit Jahren vordere Plätze im bundesweiten Vergleich. Makler beziffern die Höchstmieten mit Summen zwischen 235 und 280 Euro pro Quadratmeter. Diese Spitzenwerte lassen sich an den prominentesten Ecken etwa in der oberen Königstraße für eine kleine Ladenfläche mit 60 bis 100 Quadratmeter und langer Schaufensterfront im Erdgeschoss erzielen. „Hin und wieder werden aber auch über 300 Euro bezahlt“, weiß Heinz Reinboth von der IG Königstraße. In diesem Fall legt ein Händler für 100 Quadratmeter 30 000 Euro Miete im Monat hin.

Solche Filetstücke sind selten auf dem Markt. Internationale Ketten drängen in die wohlhabenden deutschen Metropolen. Und sind immer öfter bereit, nicht nur hohe Mieten, sondern auch enorme Ablösesummen zu bezahlen. „Es gibt einen so hohen Druck auf die I-a-Lagen, dass das inzwischen gang und gäbe ist“, sagt Citymanager Hans H. Pfeifer. Immobilienmakler Adriano Del Muscio schätzt, dass diese Praxis bei mehr als der Hälfte der Pächterwechsel angewandt wird. „In Stuttgart werden da bis zu 500 000 Euro hingeblättert, in München ist es auch mal eine Million“, sagt er. Die Summe ist abhängig von der Restlaufzeit des Mietvertrags.

Expansionsleiter unter sich

Als Vorreiter dabei gelten besonders Mobilfunkanbieter und große Modeketten. Die bestimmen mittlerweile das Bild auf der Königstraße. Meist geht der Interessent nicht auf den Vermieter zu, sondern auf den Mieter. „Die Expansionsleiter der großen Unternehmen kennen sich“, weiß Del Muscio. Wer eine Fläche sucht, kontaktiert den Kollegen, der bereits eine oder gleich mehrere gemietet hat. Wird man sich handelseinig, geht man gemeinsam auf den Eigentümer zu. Dem bietet man dann eine etwas höhere Miete für den Wechsel, und das Geschäft ist gemacht. Nach außen wird Stillschweigen vereinbart.

Anwesenheit ist Pflicht, weil die Konkurrenz auch da ist

Klappt das nicht, bleibt immer noch die Möglichkeit, sich einen Untermieter ins Geschäft zu holen. Diese Möglichkeit ist in den meisten Verträgen nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Oder aber ein Mieter verzeichnet schlechte Geschäfte und will sich mit einem Auszug sanieren, indem er auf dem Markt die Botschaft streut, dass er gegen Bares die gemieteten Flächen aufgeben würde.

Nicht immer sind diese Geschäfte für den Neumieter wirtschaftlich lohnend. Darum geht es aber auch gar nicht. „Große Ketten müssen in den Haupteinkaufsmeilen präsent sein, schon allein, weil es die Konkurrenz auch ist“, sagt Pfeifer. Filialisten subventionieren solche Läden mit ihren anderen Geschäften. Ablösesummen werden aus dem Werbeetat des Unternehmens finanziert.

90 Prozent Filialanteil

Die Folgen für die Stadt lassen sich in Stuttgart besichtigen. 80 bis 90 Prozent der Geschäfte auf der Königstraße sind Filialisten. Lokale Händler können bei den Millionenspielen nicht mehr mitmischen. Sie werden in Nebenlagen verdrängt oder geben auf. „Die klassischen Einzelhändler sind die Leidtragenden“, sagt Del Muscio, „deshalb sieht heute fast jede große Einkaufsstraße in Deutschland gleich aus.“ Die Individualität verschwindet, nur finanzstarke Branchen kommen noch zum Zug. Reinboth hält diese Entwicklung schlicht für „ein Trauerspiel“.

Aufhalten lässt sie sich nicht. Es gibt aber einen möglichen Ausweg. „Wir müssen erreichen, dass nicht nur die Königstraße eine I-a-Adresse ist“, sagt Citymanager Pfeifer. Nur wenn die attraktiven Einkaufslagen wachsen, nimmt der Druck ab. Deswegen sei man froh, dass sich in der Lautenschlagerstraße oder in der Marienstraße durch Neubauprojekte etwas tue. „Nur wenn neue Quartiere interessant werden, haben auch andere die Chance, zum Zug zu kommen“, so Pfeifer.

Dann gehören Ablösesummen vielleicht wieder ausschließlich zum Fußball.