Obama zeigt sich zuversichtlich: Zum Weltklimagipfel Ende des Jahres in Paris will er mit verschärften Vorgaben auftrumpfen Foto: AP

Barack Obama denkt an sein politisches Erbe. Innenpolitisch bleibt vor allem eins: die Gesundheitsreform. Doch der US-Präsident will auch als Klima-Vorkämpfer in die Geschichtsbücher eingehen. Die Sache wird aber ziemlich schwierig.

Washington - Eine „lahme Ente“ zu sein, sei eigentlich ganz schön, hat US-Präsident Barack Obama mehrfach scherzend erklärt. Aber für sein Land hat er doch noch einiges vor. Stück für Stück arbeitet er in seiner zweiten Amtszeit die Liste seiner großen politischen Vorhaben ab, die er bisher nicht verwirklichen konnte, entweder, weil der Kongress ihm Knüppel zwischen die Beine warf oder schlicht, weil er wiedergewählt werden wollte. Jetzt ist er befreit – und hat sich eines der in den USA umstrittensten Themen vorgenommen: den Kampf gegen den Klimawandel.

Dass er im Kampf gegen den Treibhauseffekt kaum Pflöcke einschlagen konnte, hat stark an ihm genagt, wie Berater in seiner Umgebung sagen. Es wog schwerer für ihn als jede andere der politischen Niederlagen, die er im Ringen mit dem Kongress mehr als einmal einstecken musste. Den Stellenwert, den das Thema für ihn hat, machte spätestens sein Sprecher Josh Earnest am Montag klar, als er in einem CNN-Interview im Zusammenhang mit den neuen Umweltschutz-Regeln Obamas Wahlkampfslogan von 2008 wiederbelebte. „Change we can believe in – Wandel, an den wir glauben können.“

Das heißt natürlich nicht, dass Obama nur von hehren Prinzipien geleitet wurde. Wie etwa die angesehene „New York Times“ herausstellte, ist der Präsident auch ganz bewusst dabei, sein politisches Vermächtnis zu formen. Konservative Kritiker warfen ihm vor, dass er ein mehr als schlapper Weltführer sei; nun will sich der Demokrat beim Kampf gegen den Klimawandel als globaler Schrittmacher präsentieren. Das sind gleich mehrere Fliegen, die er mit einer Klappe schlägt.

Hunderten Kohlekraftwerken droht das Aus

Der Präsident geht jetzt also vor dem Weltklimagipfel Ende des Jahres in Paris daheim in den USA mit gutem Beispiel voran. Dafür gibt er Obergrenzen für die Emission der klimaschädlichen Treibhausgase vor, die deutlich niedriger liegen, als allgemein erwartet worden war. Nach den am Montag im Weißen Haus vorgestellten neuen Regeln müssen die Energieproduzenten ihre Emissionen bis zum Jahr 2030 um knapp ein Drittel der Verschmutzung des Jahres 2005 reduzieren.

Gegenüber dem Entwurf der Umweltbehörde EPA aus dem Vorjahr entspricht das einer zusätzlichen Verringerung beim Ausstoß der Treibhausgase von neun Prozent. Gleichzeitig schreiben die neuen Auflagen der Energiewirtschaft vor, ihren Anteil an erneuerbaren Energien auf 28 Prozent zu steigern. Die Bundesstaaten erhalten Zielvorgaben, die sie in eigener Zuständigkeit umsetzen müssen. Sie haben bis 2018 Zeit, der Umweltbehörde detaillierte Konzepte vorzulegen.

Sofern der „Clean Power Plan“, der Plan für saubere Energie, die diversen Anfechtung vor Gericht übersteht, brächten die Auflagen nach Einschätzungen von Experten das Ende von Hunderten Kohlekraftwerke, er würde deren Neubau unattraktiver machen, den Umstieg auf klimaverträglicheres Naturgas fördern und zu einem Boom in der Wind- und Solarenergie-Gewinnung führen.

„Klimawandel bekämpfen“

Obama war in seiner ersten Amtszeit 2009 im Senat mit dem Versuch gescheitert, ein USA-weites Emissionshandel-System („Cap and Trade“) einzuführen. Seitdem nutzt er die Vollmachten des Gesetzes zur Luftreinhaltung, Auflagen zu erlassen. Der Oberste Gerichtshof hatte in der Grundsatzentscheidung „Massachusetts vs. EPA“ 2007 entschieden, dass Treibhausgase als „Luft-Verschmutzer“ im Sinne des Gesetzes gelten und damit von der Regierung begrenzt werden können.

„Der Klimawandel ist kein Problem, das wir der nächsten Generation überlassen können“, erklärte Obama in einem am vergangenen Wochenende auf Facebook veröffentlichten Video. Die neuen Regeln seien „der größte und wichtigste Schritt, den wir jemals unternommen haben, den Klimawandel zu bekämpfen.“

Gemessen an den heftigen Reaktionen aus der Energiewirtschaft und deren Verbündeten in den Gliedstaaten sowie im Kongress hat der Präsident wohl nicht übertrieben. Neben der Industrie bereiten bis zu 25 Gliedstaaten Klagen vor, mit denen sie die strikten Emissionsgrenzen bei den Treibhausgasen gerichtlich anfechten wollen. Angeführt werden diese von Kohleproduzenten wie Kentucky, Wyoming und West Virginia.

Obama: Wir haben nur ein Zuhause, einen Planeten

„Wir denken, diese Regeln sind fürchterlich für die Verbraucher“, meint etwa der Justizminister von West Virginia, Patrick Morrisey. Der Präsident führe einen „Krieg gegen die Kohle“, der die Bürger am Ende teuer zu stehen komme. Dabei geht es nicht nur um handfeste wirtschaftliche Aspekte: Für viele Staaten ist es schlicht ein rotes Tuch, wenn die Bundesregierung in Washington ihnen etwas diktiert. Die National Mining Association – die Vereinigung der Kohleförderer – kündigte an, dass sie bei Gericht eine einstweilige Verfügung beantragen wird, um den Plan zu stoppen.

Bedenken, sein Plan werde Arbeitsplätze vernichten, die Energiekosten in die Höhe treiben und vor allem die Armen treffen, wies Obama am Montagabend (MEZ) zurück. Wenn jetzt nicht gehandelt werde, sei es zu spät. „Wir haben nur ein Zuhause, einen Planeten“, so der Präsident. „Es gibt keinen Plan B.“ Letztendlich werde die Energie-Rechnung für die Amerikaner niedriger ausfallen, betonte er.

Schon zuvor hatte das Weiße Haus von einem Innovationsschub gesprochen, der am Ende den Unternehmen helfe. Jeder Bürger werde im Schnitt 85 Dollar an Energiekosten sparen und zudem in einer gesünderen Umwelt leben. Das Weiße Haus hofft zudem, mit dem Vorstoß ein Druckmittel zu bekommen, mit dem die USA in Paris auch andere Staaten mit hohen Emissionen wie China, Indien, Brasilien und Südafrika zu größeren Anstrengungen beim Klimaschutz zu bewegen. Der chinesische Präsident Xi Jinping hatte im vergangenen Jahr bei einem Gipfel mit Obama bereits Zugeständnisse gemacht.

Juristische Schlacht

Sollte aber ein Republikaner nach der Wahl 2016 ins Weiße Haus einziehen, dürften die Karten neu gemischt werden. Dazu muss der nächste Präsident nicht einmal zu jenen Konservativen zählen, die nach wie vor glauben, dass der Klimawandel eine Erfindung ist. Auch moderatere Bewerber laufen Sturm gegen Obamas Klimaschutz-Programm. „Ich halte es für ein Desaster. Es ist verfassungswidrig“, sagte etwa Jeb Bush.

Damit zeichnet sich nicht nur eine juristische Schlacht ab, die vor dem obersten Verfassungsgericht enden dürfte, sondern auch ein politisches Showdown mit den Republikanern im Kongress.

Heißt dies, dass der Plan im Endeffekt nur heiße Luft ist – kühn und ehrgeizig, mehr auf die innere Erfüllung Obamas und das Image gemünzt als auf Realismus gestützt? Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Wie immer die Gerichte entscheiden werden, kann der Demokrat davon ausgehen, dass der Klimaschutz nun zu einem Wahlkampfthema wird, zumal Obamas potenzielle Nachfolgerin Hillary Clinton voll hinter dem Programm steht: „Es ist ein guter Plan. Als Präsidentin werde ich ihn verteidigen.“ Das bedeutet zumindest Diskussion über ein Thema, das viele Republikaner am liebsten totschweigen würden – und damit einen gewissen Druck für ernsthafte Bewerber, zumindest einen Mittelweg zu suchen.