Anlässlich des runden Geburtstages haben sich Schüler und Lehrer zu der Zahl 100 aufgestellt. Foto: privat

Die Immenhoferschule für Hörgeschädigte feiert am Samstag mit einem großen Schulfest ihr 100-jähriges Bestehen. Neben Unterricht an der eigenen Schule wird auch eine Begleitung von hörgeschädigten Kindern auf allgemeinen Schulen angeboten.

S-Süd - Schon lange vor der Schulgründung setzte sich der erste Rektor der Immenhoferschule für den separaten Unterricht schwerhöriger Schüler ein. Johannes Wagner begann 1899 an der Taubstummenanstalt in Nürtingen zu lehren. Nachdem er dort seine ersten Erfahrungen als Lehrer für Taubstumme und Schwerhörige gesammelt hatte, begann er ab dem Jahr 1902, sich nachhaltig für einen getrennten Unterricht für Gehörlose einzusetzen. In Nürtingen hatte er eine Klasse für „Hörschüler“ eingerichtet und mit dieser überraschend gute Erfolge erreicht.

Gestartet ist die Schule mit 15 Schülern

1913 wurde Wagner zunächst Rektor der Stuttgarter Hilfsschule, nur ein Jahr später konnte er dann endlich sein angestrebtes Projekt umsetzen. Er wurde vom evangelischen und katholischen Ortsschulrat Stuttgart damit beauftragt, zwei besondere Klassen für schwerhörige Schüler einzurichten und diese an die Hilfsschule anzugliedern. Im Sommer 1914 konnte er mit dem Unterricht in der ersten Schwerhörigenklasse beginnen – mit 15 Schülern im Alter von sieben bis zehn Jahren. Das war zugleich die Geburtsstunde der Stuttgarter Schule für Hörgeschädigte, die heute die Immenhoferschule ist.

Den 100. Geburtstag will die Schule nun mit einem Schulfest am Samstag, 12. Juli, gebührend feiern. Seit mehreren Wochen sind Schulleiterin Jutta Solscheid und ihr Kollegium bereits mit den Planungen und Vorbereitungen beschäftigt. Mit „Kultur vorab“ startet das kleine Fest am Samstag um 13.30 Uhr. Dafür haben die Schüler der Klasse drei unter der Leitung ihrer Klassenlehrerin und Elsa Hanewinkel von den Schauspielbühnen Stuttgart Stuttgart eigens das Stück „Hühnermord“ einstudiert.

Nach den offiziellen Grußworten bietet die Schule ein buntes Programm für Groß und Klein mit verschiedenen Austellungen und Aktionen. So lädt die erste Klasse zu einer Zeitreise „Schule früher“ ein, die Klasse vier zeigt ihr Projekt „Spielen vor 100 Jahren“. Die Geschichte ihrer Schule von den Jahren 1914 bis 2014 nachgezeichnet haben die Klassen sechs bis neun. Alle Klassen gemeinsam haben zudem eine Schülerkunstausstellung entworfen. Das Schulfest endet gegen 18 Uhr. „So ist jeder pünktlich zum Fußballspiel zu Hause“, sagt die Schulleiterin Jutta Solscheid.

Bis 1966 war die Schule für Gehörlose mehrmals umgezogen und hatte keine feste Unterkunft. In der Regel fand sie immer wieder für mehrere Jahre Unterschlupf in anderen Schulen im Stadtbezirk wie der Heusteig-, der Fangelsbach- und der Schickhardtschule. Während des Zweiten Weltkrieges und in der ersten Zeit danach gab es in Stuttgart überhaupt keine Möglichkeit mehr für Eltern gehörloser Kinder, diese auf eine separate Schule zu schicken. Erst 1966 fand die Schule in der Immenhoferstraße 70 endlich eine eigene Heimat. Dort standen den Schülern zum ersten Mal genügend große und ruhig gelegene Klassenräume zur Verfügung. Den Namen Immenhoferschule bekam sie 1978. „Die Schüler selbst haben sich das so gewünscht“, erzählt Schulleiterin Solscheid, die seit 30 Jahren an der Immenhoferschule ist. Grundlage für den Namen sei ganz banal die Straße gewesen. Bis heute ist die Schule in diesem Gebäude zu Hause.

Die Schule baut auf vier Bausteinen auf

Längst erhalten die Schüler dort modernen Unterricht, der auf ihre jeweiligen Fähigkeiten und ihr Können abgestimmt ist. Die Immenhoferschule baut dabei auf vier Bausteinen auf: Stammschule, Integration, Frühförderung und Inklusion. Rund 65 Schüler besuchen die Stammschule. Weitere 130 Kinder besuchen eine allgemeine Schule. „Diese Schüler begleiten wir in der Integration durch sonderpädagogische Dienste“, sagt Solscheid. Weitere 70 Familien nehmen am Programm der Frühförderung der Immenhoferschule teil. „Wir unterstützen die Eltern in dem Prozess bis zur Einschulung ihrer Kinder“, fügt die Schulleiterin hinzu.

Im Bereich der Inklusion bietet die Schule laut Jutta Solscheid noch ein weiteres Modell für Schüler an, die eine allgemeinbildende Schule besuchen, aber einen höheren Förderbedarf besitzen. Für diese Form kooperiere man mit drei Schulen, zwei in Stuttgart und einer in Calw. Pro Standort seien ein bis drei Kinder.

Für die Zukunft wünscht sich die Schulleiterin noch mehr gruppenbezogenen Unterricht für ihre Schüler an anderen Schulen. „Bisher wohnen unsere Schüler alle sehr weit auseinander und haben einen langen Schulweg“, erklärt Solscheid. Derzeit plant die Schule deshalb eine Kooperation mit der Schickhardt-Realschule. Dort soll eine Gruppe schwerhöriger und gehörloser Kinder gemeinsam in einer Klasse mit den anderen Kindern unterrichtet werden. „Eine Team von uns unterstützt sie intensiv“, sagt Solscheid. Die Eltern würden dieses geplante Modell begrüßen. Die Schüler können so den Realschulabschluss erwerben. „Das ist ein besonderes, inklusives Bildungsangebot in Stuttgart“, sagt Solscheid stolz. Bisher können ihre Schüler in der Landeshauptstadt eigentlich nur den Werkrealabschluss machen, ein Gymnasium oder eine Realschule gibt es nicht.

Schule für Gehörgeschädigte

Eckdaten
Die Schule hat 65 Schüler, die sie selbst unterrichtet. Weitere 130 Schüler werden in der Integration durch sonderpädagogische Dienste betreut, besuchen aber eine allgemeine Schule. Zudem unterstützt die Schule rund 70 Familien bei der Frühförderung ihrer gehörgeschädigten Kinder. Das Kollegium besteht aus 23 Lehrern sowie drei Referendaren.

Kindergarten
Die Schule kümmert sich um die Kleinsten. Im Alter von drei bis sechs Jahren können hörgeschädigte Kindern den angegliederten Sonderschulkindergarten „Schnelle Schnecke“ besuchen. Damit betreut die Einrichtung insgesamt rund 280 Familien.

Kontakt
Die Immenhoferschule befindet sich in der Immenhoferstraße 70 in Stuttgart Süd. Telefonisch ist sie über 21 69 69 51 zu erreichen. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.immenhoferschule.de.