Nachrichten von der Seligsprechung von Johannes Paul II. Das war 2011. Am 27. April 20014 folgt die Heiligsprechung Foto: dpa

Der Wiener Theologe Jan-Heiner Tück erklärt die Bedeutung Karol Wojtylas als Papst Johannes Paul II. und erklärt dessen ungewohnt schnelle Heiligsprechung am 27. April – nur neun Jahre nach seinem Tod. „Er hat gelebt, was er geglaubt hat“, sagt Tück. „Er war ein Kämpfer für das Leben.“

- Herr Tück, Johannes Paul II. wird am 27. April heiliggesprochen. Warum die Eile?
Schon unmittelbar nach seinem Tod haben die Menschen seine sofortige Heiligsprechung gefordert. Dieser Forderung ist Benedikt XVI. nicht nachgekommen. Allerdings hat er von der kirchenrechtlichen Vorgabe abgesehen, wonach Seligsprechungsprozesse erst fünf Jahre nach dem Ableben des Kandidaten eröffnet werden können. So ist Johannes Paul II. bereits 2011 seliggesprochen worden. Jetzt folgt die Heiligsprechung. Er hat gelebt, was er geglaubt hat.
Welche Bedeutung hat diese zweitlängste Papst-Amtszeit für die heutige Kirche?
Politisch hat Johannes Paul II. bei seinen Reisen durch Polen durch seine unerschrockene Kritik an den kommunistischen Machthabern zum friedlichen Zusammenbruch des Sowjetimperiums beigetragen. Darüber hinaus hat er im interreligiösen Dialog Zeichen gesetzt. 1986 hat er in Rom als erster Papst eine Synagoge besucht und von den Juden als „den bevorzugten und älteren Brüdern des Glaubens“ gesprochen. 2001 folgte der erste Besuch einer Moschee.
Zum interreligiösen Dialog: Was hat Johannes Paul II. auf diesem Feld konkret bewirkt?
Bereits 1986 initiierte er ein Weltgebetstreffen in Assisi. Kritiker sahen in diesem Treffen eine unzulässige Relativierung des christlichen Wahrheitsanspruchs, aber der Papst glaubte, ein Zeichen für den Frieden setzen zu müssen. Ohne Friede zwischen den Religionen kein Frieden in der Welt. Schließlich hat er die geschichtlichen Versäumnisse der Kirche offen eingestanden. In seinem vielbeachteten „Mea culpa“ (auf Deutsch: meine Schuld) hat er im Jahr 2000 für Glaubenskriege, Judenverfolgung und Inquisition um Vergebung gebeten. Dieses öffentliche Eingeständnis der Schwäche war stark.
Mit Johannes Paul II. wird auch Johannes XXIII. heiliggesprochen. Sehen Sie einen Bruch oder eine Kontinuität zwischen beiden Päpsten?
Schon die Namensgebung zeigt, dass Johannes Paul II. an das Erbe der Päpste Johannes XXIII. und Paul VI. anknüpfen wollte. Die Öffnung nach außen hat er allerdings mit einer strengen Führung nach innen verbunden. Durch die Befreiungstheologie, aber auch liberale Denkströmungen sah er die Substanz des Glaubens in Gefahr und hat teils harte Maßnahmen ergriffen. Hier ist er dem Wort Johannes’ XXIII., lieber die „Heilmittel der Barmherzigkeit“ als die „Waffen der Strenge“ zu gebrauchen, nicht gefolgt.
Was macht die Faszination dieses ersten polnischen Papstes aus?
Seine charismatische Persönlichkeit, sein wacher Sinn für symbolische Gesten, sein souveräner Umgang mit den Medien haben fasziniert und die globale Bedeutung des Papsttums gestärkt. Durch seine Reisetätigkeit versuchte er in den Ortskirchen präsent zu sein. Er hat die Weltjugendtage kreiert – und zu den Jugendlichen einen besseren Draht gehabt als viele seiner Kritiker. In den letzten Jahren seines Pontifikats war er durch Krankheit gezeichnet. Er hat sein Leiden aber nicht versteckt, sondern den Augen der Weltöffentlichkeit ausgesetzt. Die Telepräsenz dieser Ikone des Gebrechens war ein Gegenbild zu den Körperwelten in Lifestyle und Wellness und ein Zeugnis für die Würde des Alters. Das hat beeindruckt.
Warum hat er den römischen Zentralismus stärker betont als der heutige Papst?
Johannes Paul II. hat in der Tat den Zentralismus gestärkt, um die Einheit des Glaubens sicherzustellen. Der Weltkatechismus von 1992 sollte den Glauben vor Aufweichungen schützen. Seine Politik der Bischofsernennungen war nicht immer glücklich. Hier setzt Franziskus andere Akzente. Er hat eine heilsame Dezentralisierung eingeleitet, pflegt einen kollegialen Führungsstil und will den Ortskirchen mehr Spielraum geben. Offensichtlich sieht er in der kulturellen Vielfalt der Ortskirchen weniger eine Bedrohung als eine Bereicherung.
Was ist das zentrale kirchengeschichtliche Vermächtnis Johannes Pauls II.?
Er war ein Kämpfer für das Leben als eine unverfügbare Gabe Gottes. Durch die Unrechtserfahrungen unter den Diktaturen sensibilisiert, hat er ein Konzept moralischer Erinnerung vertreten, das die Erinnerung an vergangenes Leid mit dem Einsatz für die Schwachen und Stimmlosen heute verbindet. Er hat den Schutz des menschlichen Lebens am Anfang und am Ende kompromisslos verteidigt und jede Form von Abtreibung, Embryonen tötender Forschung und Euthanasie scharf verurteilt. Wenn heute von Ethik-Kommissionen die Einführung aktiver Sterbehilfe sogar für Kinder und Jugendliche empfohlen wird, ist die Erinnerung an sein prophetisches Vermächtnis heilsam.