Pablo Picasso mit seinem Stuttgarter Dackel Lump Foto: Benteli Verlag

Joe Bauer über den Dackel Lump und die vielen Reaktionen auf seine letzten Kolumnen

Ich war nie ein Hundefreund. Umgekehrt würde kein Hund mich je als Freund wählen. Egal. Das Hundewetter in diesen Junitagen hat mich darauf gebracht, aus dem Innenleben meiner Kolumne zu berichten (auf den Dackel komme ich noch).

Als Schreiberling, dies zum Innenleben, freut man sich über Leserecho. Keiner, dessen Rübe in der Zeitung auftaucht, ist uneitel. Nicht einmal, wenn man sein Konterfei für Fahndungsfotos bräuchte. Herr Giese, ein treuer Leser, schreibt zu meiner Glosse "Bahnhofversenken ist sexy", einem Text über den Verdacht des Ordnungsamtes, Stuttgart 21 werde die Prostitution im Leonhardsviertel beflügeln: "Zu einer Befriedung trägt Jo Bauer nicht bei, im Gegenteil. Ich denke nicht, dass er ,klammheimliche Freude' empfinden wird, wenn es zu Gewaltausbrüchen kommt - aber unschuldig, unschuldig ist JB daran sicher nicht mehr. Eben bösartig."

Viele Zuschriften erhalte ich immer noch auf die Kolumne "Ali war unser Türke", eine Erinnerung an den 2006 verstorbenen Litfaß-Wirt Ali Taner. Frau Lemke schreibt: "Ich bekam feuchte Augen beim Lesen . . . Ali hatte Charisma, ein Wirt, wie es viele geben sollte: Immer zugewandt, nie klebrig, wunderbar optimistisch, zumindest für uns, seine Gäste . . . "

Lehrreich sind die Reaktionen zum Beitrag "Gedanken sind frei"; darin beschäftige ich mich mit der schwäbischen Verkleinerungsform und dem Werbeslogan für den neuen Direktflug Stuttgart-New York:

"Nonstop vom Städtle ins Weltstädtle".

Mit "Städtle", habe ich geschrieben, bezeichne man seit jeher die Altstadt mit ihrem Rotlichtmilieu - und nicht, wie es heute viele machen, die ganze Stadt. Dazu schreibt Frau Kunzke, eine Stuttgarterin, die seit Jahren in Spanien lebt: "Die schwäbische Verkleinerungsform -le muss man verstehen und vor allem lieben. Sie hat, man glaubt es kaum, ihr Pendant in der spanischen Sprache. Auch die Spanier pflegen für Dinge, die ihnen am Herzen liegen, das Diminutiv anzuwenden. Die Endung ist natürlich nicht das -le, sondern das -ita/ito. Ihr pueblecito entspricht dem Städtle der Schwaben. Sie verkleinern bewusst etwas, was sie sehr lieben . . ."

Zum selben Thema schreibt Herr H.: "Lieber Joe Bauer, als Urschwabe und -feuerbächer (Jahrgang 1945) weiß ich wohl, was das Städtle war. Meine Mutter fuhr in den 50er und 60er Jahren mit der Straßenbahn entweder in die Residenz oder in die Stadt, zum Glück nicht ins Städtle, obwohl ich damals den feinen Unterschied (noch) nicht kannte."

Damit komme ich zu einem Beispiel, wie eine Kolumne aus Zuschriften entstehen kann. Neulich habe ich unter der Überschrift "Der Frauenkopf" auf den 250. Geburtstag der Kunstakademie hingewiesen und über das Schicksal von Henry Moores Skulptur "Draped Reclining Woman" berichtet. Das Kunstwerk (es steht heute vor der Neuen Staatsgalerie) musste zwischen 1961 und 1981 zweimal umziehen.

Die Leute in der Stadt bemängelten damals, Mr. Moores Frauenfigur habe "den Körper eines Wasserbüffels und den Kopf einer Gans". Beiläufig erwähnte ich, auch Picasso habe seine Frauen nicht immer nach dem Vorbild Stuttgarter Damen geschaffen - und dazu fiel Herrn Pfeifer etwas ein: "Ob Picasso Frauen schuf, die sich - weder hinten noch vorne - an der Stuttgarter Damenwelt orientierten, muss ins Dämmer der kunsthistorischen Ungewissheit zurück. Zumindest, seit ich in der Show von Herrn Klink im Renitenz-Theater erfahren habe, dass Picasso einen original Stuttgarter Dackel sein Eigen nannte."

Das entspricht der Wahrheit. Mit Herrn Klink ist der Sterne-Koch, Autor und Musikant Vincent Klink gemeint; er wiederum kennt die Geschichte aus einem Buch, das seiner Frau Lisbeth gehört:

Der berühmte amerikanische Fotograf David Douglas Duncan, Jahrgang 1916, hat 2006 einen Bildband über Pablo Picassos treuesten Freund veröffentlicht: "Lump the Dog who ate Picasso" (Lump, der Hund, der einen Picasso verspeiste).

Mitte der Fünfziger hatte sich Duncan bei einer Familie in Stuttgart einen Dachshund namens Lump gekauft, bald danach vermachte er ihn dem spanischen Freund und Künstlergenie. Kann aber auch sein, dass Lump eigenmächtig zu Picasso zog, weil er das Nomadenleben des Kriegsreporters satthatte. Heute ist er so berühmt wie sein Herrchen. Picasso hat ihn auf zahlreichen Bildern verewigt. Ich aber wäre bescheuert, würde ich Ihnen an dieser Stelle die ganze Geschichte vom Dackel Lump erzählen. Morgen geht mein Hundeleben weiter.