Als Jugendliche fand Fola Dada im Jugendhaus Inspiration. Foto: Simon Granville

Die Jazzsängerin Fola Dada wirkt an vielen Orten. Ihre Heimat Korntal hat sie vor 20 Jahren verlassen – und bleibt ihr doch „mit dem kleinen Zeh“ verbunden.

Wenn man vom Gymnasium Korntal aus am Sportplatz vorbei ein paar Schritte nach Westen geht, landet man am Rand der Wiese, auf der Fola Dada ihren ersten Kuss bekommen hat, einen „unschuldigen, aber herzbrechenden Kuss“, sagt sie. Ein paar Kühe stehen herum, und in der Ferne sieht man den Grünen Heiner, den Schutthügel, von dem aus man in den neunziger Jahren die berühmte Sonnenfinsternis sehen konnte, die in Stuttgart nicht sichtbar war, „weil’s dort bewölkt war“. Mit ihrer Clique ist die Schülerin Fola Dada oft zum Grünen Heiner spaziert, erzählt die 45-jährige Sängerin. Man habe die Strecke zum Gipfel über die Wiesen zu Fuß in einer halben Stunde zurücklegen können, sie konnte aber auch einen halben Tag dauern. Im hohen Gras, sagt sie, konnte einen niemand sehen.

Andererseits wollte Fola Dada früh wahrgenommen werden. Sie war erst sieben, als sie in der New York City Dance School mit Stepptanz anfing. Ihre Mutter, eine Lehrerin, fuhr sie dafür allwöchentlich von Korntal nach Stuttgart. Mit der Musik allerdings ging es erst später am Gymnasium Korntal los. Dort arbeitete ein Lehrer, der Jazzfan war und eine Jazz-AG gegründet hat. „Da kam dann dieses schwarze Mädchen ins Spiel“, sagt Fola Dada, „er hat mich gefragt, ob ich mit Jazz schon vertraut bin.“ Aber bei ihr zu Hause wurde kein Jazz gehört. „Ich habe einfach Ja gesagt“, erzählt sie, „und durch diese Jazz-AG habe ich Ella Fitzgerald und Louis Armstrong kennengelernt und das einfach nachgesungen.“

Bis Mitte 20 wohnte sie in Korntal

Den Leuten von der Theater-AG gefiel ihre Stimme, und so kam sie zu ihrer ersten Rolle im Schülermusical „Linie 1“. Weil ihr das Spaß machte, sang sie fortan bei der High’n Mighty Big Band der Korntaler Musikschule, sie trat mit der Comedy-Gruppe Les Schneiders auf, wenig später sang sie bei Solarstar, „meiner ersten ernsthaften Band“. Inzwischen singt Fola Dada regelmäßig in einem halben Dutzend Formationen aus einem weit gefassten Jazz- und Soulkosmos und zelebriert mit ihrer Stimme virtuos das Brodeln unter der Oberfläche. Seit bald 20 Jahren ist sie die Stimme von Hattler, der Jazzrock-Band des ehemaligen Kraan-Bassisten Hellmut Hattler. „Wenn etwas gut funktioniert, dann bleibe ich da gerne dabei.“ 2022 hat sie mit dieser Loyalität den Deutschen Jazzpreis erhalten.

Fola Dada blieb bis Mitte 20 bei ihren Eltern in Korntal wohnen, als sie längst Jazz- und Popularmusik in Mannheim studierte. Dann zog sie nach Stuttgart-Heslach. Mittlerweile ist sie Professorin für Jazzgesang in Mannheim, sie betreibt ihre eigene Gesangsschule Stimmwerk in Stuttgart, sie gibt deutschlandweit Konzerte – und ihre Zahnärztin ist immer noch in Korntal: „Meine Mutter war ihre erste Patientin. Da gibt es eine persönliche Verbindung, die mich vertrauen lässt. Ich glaube, ich stehe auf vertrauensvolle Verbindungen.“

Die suchte und fand Fola Dada als Kind und Jugendliche vor allem an drei Orten: am Korntaler Gymnasium („Harmonisch – bis auf Mathe“), in der Stuttgarter Tanzschule („Korntal stellte für mich einen sicheren Hafen dar, in dem ich mich habe ausprobieren können. Ohne S-Bahn-Anbindung wäre es schwieriger gewesen“) und im Jugendhaus Korntal, das als Teil eines Gebäudekomplexes mit Stadthalle und Stadtbibliothek diesseits einer „bewaldeten Wand“ liegt, die man einst hochgezogen hat, um die Anwohner vor den Geräuschen zu schützen, die Kultur zuweilen macht.

Ihr Vater arbeitet bei Porsche

Wenn Fola Dada an der Tür des Jugendhauses rüttelt, das mittwochs geschlossen hat, lacht sie. Wenn sie von damals erzählt, lacht sie noch mehr: Sie hat sich als DJane versucht, mit Hip-Hop. Und sie hat im Jugendhaus Gleichaltrige kennengelernt, die nicht so behütet aufwachsen durften wie sie: Ihre Mutter unterrichtete an der örtlichen Sonderschule. Ihr Vater, der aus Nigeria stammt, kümmerte sich bei Porsche um die IT. „Kontakt zu haben mit verschiedenen Menschen mit diversen Hintergründen machte das kleine Leben in dieser Stadt viel größer.“ Bei Fotosessions findet sie Sonnenstrahlen im Schatten.

Erfahrungen mit Rassismus musste die junge Fola Dada in Korntal nicht machen: „Auf dem Gymnasium war ich sehr lange das einzige schwarze Mädchen. Für mich war das kein Thema, vielleicht, weil ich immer viele Freunde hatte. Ich war sehr früh Fola – und nicht das schwarze Mädchen.“ Nur einmal, „da war ich schon älter“, riefen Bauarbeiter von der anderen Straßenseite: „Oh, jetzt kommt Farbe ins Spiel.“ „Da war ich perplex, weil ich das so nicht kannte“, sagt Fola Dada. Was sie kannte, war die Werbung des örtlichen Metzgers: „Der Metzger Schwarz hatte als Slogan ,Schwarz is beautiful‘. Ich fand das passend.“

In ihr schallendes Lachen hinein juchzt im Außenbereich eines Bäckereicafés an der Hauptstraße im „Städtle“ die ältere Schwester einer ehemaligen Mitschülerin: „Fola! Wie geht’s?“ Am Ende der Straße thront der „Große Saal“, die Kirche der Evangelischen Brüdergemeine Korntal. Fola Dada pflegt eher den „Pietismus, der in uns Schwaben schlummert, das tugendhafte Arbeiten. Dass man schon was schaffen muss, damit was aus einem wird, das ist irgendwie tief in mir drin.“

Der herzerwärmende Anblick des Grünen Heiners

Fola Dada wohnt seit 20 Jahren nicht mehr in Korntal, aber irgendwie wohnt die Kleinstadt, in der ein Cappuccino und eine Brezel zusammen 3,20 Euro kosten, immer noch in ihr. „Ich bin schon irgendwie mit dem kleinen Zeh noch mit Korntal verbunden“, sagt sie. Ihre Tagesmutter, die sie zur Schule brachte und wieder abholte, während ihre Mutter arbeitete, wohnt noch hier. Manchmal singt Fola Dada auch in der Stadthalle. Und ihre Gesangschule ist derzeit zwar in Stuttgart, „allerdings wird man ja älter. Und es kann natürlich sein, dass irgendwann, wenn ich ganz viel Geld habe – und das braucht man, wenn man in Korntal leben möchte . . .“ Sie vollendet den Satz nicht. Aber sie könnte sich vorstellen, irgendwann in Korntal im Grünen zu unterrichten: „Ich glaube, in Korntal ist die Millionärsdichte relativ hoch. Es wäre gut, wenn man eine Million hätte. Die habe ich aber leider nicht. Vielleicht, wer weiß, vielleicht irgendwann mal.“ Wieder dieses Lachen.

Fola Dada sagt, dass das Jugendhaus für sie ein „horizonterweiternder Impuls“ gewesen sei. Dass sie Musikerin geworden sei, „weil es sich als meine Leidenschaft und mein Talent so ergeben hat“. Sie sagt auch: „Ich möchte immer die Hoheitsgewalt über meine Zeit und mein Leben haben.“ Und erst wenn man Fola Dada singen hört, ist man in der Lage, die ganze Tragweite eines ihrer Lieblingssätze zu erfassen: „Es ist mir wichtig, bei dem, was ich tue, Freude zu empfinden.“ Wobei der Frau, die viel unterwegs ist, oft auf der A 81, Freude nicht schwerzufallen scheint: „Es wärmt mir immer mein Herz, wenn ich am Grünen Heiner vorbeifahre.“