Jan Delay in typischem Outfit und Haltung Foto: promo

„Hammer & Michel“ heißt sein aktuelles Album. Auf dem Cover ziert der Schriftzug „Jan ­Delay“ die Rückseite einer nietenbesetzten Lederjacke. Keinesfalls mit Nieten war die Band Disko No. 1, die Jan Delay beim Konzert in der Schleyerhalle begleitete. Mit seinem Song „Liebe“ eröffnete der wie stets mit Hut, Hemd, Krawatte und Sonnenbrille geschmückte Frontmann die Show.

Stuttgart - „Wir raven heute zu Gitarrenmusik – das heißt eigentlich Rock!“ Wer solches von sich gibt, hat die Bedeutung des Rocks, eigentlich, nicht verstanden. Und, eigentlich, ist das, was Jan Delay in der Stuttgarter Schleyerhalle veranstaltet hat, auch nicht dem Rock zuzuordnen. Doch eine – bewusst – falsche Etikettierung sagt ja noch nichts über die Qualität des Verpackten aus.

Vor dem Auspacken sei noch die Vorband Moop Mama gelobt: In nur 30 Minuten wärmte die Brass-Band aus München nicht nur die Menge vor, sondern fackelte ein eindrucksvolles Kurzkonzert samt Roboter- und Standbildchoreografie ab.

Nun zum Hauptact. „Hammer & Michel“ heißt sein im April erschienenes Album. Auf dessen Cover ziert der Schriftzug „Jan Delay“ die Rückseite einer nietenbesetzten Lederjacke. Keinesfalls mit Nieten besetzt hat man die stets hinter Delay zu findende Band Disko No. 1: Handwerklich hervorragend agieren da unter anderen drei Bläser, die Johnny Blazers, und ebenso viele Backgroundsängerinnen, die Delaydies. Auch in Stuttgart inszenierte der wortspielaffine Delay das obligatorische Tanzduell zwischen den beiden Parteien. Der Publikumslärm entschied zugunsten der Damen.

Sein Song „Liebe“ eröffnet Album und Show. Knappe Gitarrenriffs und bunte, aufwendige Scheinwerferkonstellationen untermalen Delays Sprechgesang. Hände verbinden sich zu Herzformen und wippen zum Takt. Später fordert der wie stets mit Hut, Hemd, Krawatte und Sonnenbrille geschmückte Frontmann auch die szenetypische „Mano cornuta“ vom Publikum, auch bekannt als Pommesgabel.

Aus dem Nichts brüllt er: „Kamt ihr her, um zu raven?!“ Den irritierten, zögerlich und eher fragend mit „Ääöhm jaaa?“ antwortenden Hörern verspricht er, man werde dieser Umfrage am Ende 100 Dezibel lauter entgegnen. Und tatsächlich erkundigt er sich nach so gut wie jedem Song: „Kamt ihr her zum Raven?!“ Das ist, wohlwollend formuliert, nervig und lässt Kreativität vermissen.

Mit „Klar“ und dem Cover von „Türlich, türlich“, das auf der Melodie von Cameos „Word Up“ fußt, jagt der gebürtige Hamburger zwei seiner populären Hits hinterher. Gefährlich, aber auch von Selbstvertrauen zeugend, die Stimmungsmacher gleich zu Beginn zu verpulvern. Doch der Mann hat Erfahrung: Erste sammelte er als Eizi Eiz bei der Formation Beginner, auch als Boba Fett ist Jan Phillip Eißfeldt bekannt. Als Jan Delay verschrieb er sich zunächst dem Reggae, wechselte zum Funk und versucht sich nun eben am Rock. Lässigkeit strahlte und strahlt er dabei immer aus, ob er auf Bongos trommelt, die Disko-No.-1-Fahne schwingt oder wie typisch näselt.

Am entschlossensten rockt das Medley auf den Rhythmen von „Can’t Stop“ der Red Hot Chili Peppers, Macklemores „Thrift Shop“ und Led Zeppelins „Whole Lotta Love“.

Auch das Cover von „Paradise City“, das Delay leider zu früh beendet, hat es in sich. Allein: Mit derartig grandiosen Musikern in der Hinterhand wäre es auch wirklich verdammt schwer gewesen, diese Stücke zu verhunzen.

Die eigenen Tracks des neuen Albums wie „Straße“ und „Action“ sind schwächer, nehmen Schwung und bescheinigen, dass Delay in anderen musikalischen Gefilden beheimatet ist. Immerhin bewegt „Sie kann nicht tanzen“ die Masse. Das bis zur zweiten Zugabe zurückgehaltene „St. Pauli“ auch.

Dafür kann Delay vor 4000 Besuchern in der Schleyerhalle auf Einheizer wie „Oh Johnny“ vom Erfolgsalbum „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“ zurückgreifen. Lobenswert bleibt, dass Delay munter und optimistisch auf Herausforderungen zumarschiert. Dass der Ausflug in den Rock nicht sein größter Coup war, weiß er wohl selbst. Dafür gilt die Vorfreude jetzt schon neuen Delay-Gefilden.