Die Künstler (v.l.): Ralph Klohs, Stephanie Wieck-Hoenig, Ursula Altmann, Heike Jost-Ikas, Elisabeth Fischer-Bolz, Ellen Raith-Kraak und Karl F. Altmann. Foto:  

Bei ihrer Jahresausstellung zeigt die Botnanger Gruppe ein reizvolles Spektrum an Ausdrucksvarianten. Mit der 39. Ausstellung geht es nun unerbittlich aufs Schwabenalter zu.

Botnang - Den Roten Teppich im Bürgerhaus legt sich die Gruppe „Botnanger stellen aus“ zu diesem Ereignis gerne selbst aus. Das hat Charme – und spricht für ein Selbstbewusstsein, das seinen Grund auch in der Kontinuität der Beteiligten hat. Schließlich geht es mit der 39. Auflage der Schau nun unerbittlich aufs Schwabenalter zu. Und der andere Eingang ergibt ganz von alleine einen anderen Zugang zu einer Werkschau, die neben Spannendem auch weniger Prickelndes bietet. Was zuletzt vorne war, rückt nun nach hinten, das Rückseitige in den Vordergrund. Jedenfalls in der Reihenfolge der sehr sinnreichen Präsentation, was von der Sortierung nach Rangfolgen befreit – und den Blick frei lässt für Positionen, Entwicklungen oder überraschende Wendungen.

Die Betrachter dürfen, sollen mit der Kunst spielen

Just damit überrascht Stephanie Wieck-Hoening. Zuletzt hatte sie mit Holzschnitten quasi eingefrorene Situationen präsentiert. Ganz still, ganz ruhig. Nun ist alles Bewegung, alles Farbe, alles abstrakt. 200 kleine, dicke Scheibchen-Unikate aus grauer Füllmasse, der bunte „Deckel“ mit feinen Farbentwicklungen und qua Harzlack voll Glanz und Oberflächenspannung. Die Betrachter dürfen, sollen damit spielen – und werden so zu Schöpfern ständig neuer Strukturen zwischen Ordnung und Chaos. Durch die zeitverzögerte Wiedergabe auf Leinwand ein durchaus doppelbödiges Spiel – mit Realität und Wahrnehmung.

Wie ein Spiel wirkt zunächst auch die aktuelle Arbeit des Fotografen Ralph Klohs, dem kreativen Youngster der Gruppe. Mehr und mehr erscheint er als künstlerischer Archivar würdiger Räume und Objekte. Ein Quadratmeter großes Stück des berühmten, giftgrünen Noppenbodens der Staatsgalerie verwandelt er so in eine Serie knallbunter Drucke auf Büttenpapier. Ein Spiel mit Farbkontrasten und serieller Form, mit Vorder- und Hintergrund, wobei haarkleine Gebrauchsspuren die scheinbare Oberfläche in subtile visuelle Labilität und Bewegung versetzen. Man darf gespannt sein auf das angekündigte Bahnhof-Panorama: Oben bleiben? Vielleicht. Vielleicht auch nicht.

Zwei Gäste flankieren die Einheimischen

In zwei großformatigen Bildern erweitert Elisabeth Fischer-Bolz ihre expressiv-gestische Malerei mit fragmentarischen Krakelüren, die ihr erweitertes Interesse für die menschliche Figur bekunden, was sich auch in ihren Holzplastiken zeigt. Ihre große Skulptur eines zugleich lässig und gespannt Sitzenden ist in Sachen Ausdruck der Höhepunkt der Ausstellung. Ein Werk, das fasziniert. En gros und en détail. Grandiose Pose, blockhafte Setzungen, grobe Schraffuren der Sägekette, verblüffende Rhythmik, raue Materialität, berstend vor Spannung. Ein Akt von der Kettensäge: ein starkes Stück. Besonders lieblich wirken daneben die purer Schönheit huldigenden, zart figurierten Engelchen aus Gold von Ursula Altmann, während jene Arbeiten von Karl F. Altmann, die „durchs Feuer“ gehen, doch ein wenig kalt lassen. Allzu sehr drängt sich das Gewollte auf. Im Zusammenklang der Reihe ergeben die Papier-Schnitte der „Altmann-Kreuze“ dann ein durchaus sprechendes „Bild“.

Flankiert werden die Einheimischen von zwei Gästen: Heike Jost-Ikas spielt in kalkfarbenen Strukturbildern per aufgemalter Lineaturen mit Vorder- und Hintergrund. Überzeugend sind Bilder, in denen die Farbe auch zum Material wird, mit reliefartigen Effekten. Und Beispiele, in denen sie Rost und altes Holz einsetzt, wobei sie das vergängliche Material mit porös aufgetragenem Gold wiederum erhöht: ein prägnantes Thema mit Potenzial. Augenfällig ist die Entwicklung des künstlerischen Potenzials bei Ellen Raith-Kraak. Links außen ein von sich auflösender Geometrie kommendes, mit Gelb und Rot experimentierendes, noch stark grafisch geprägtes Gemälde. Am anderen Ende die völlige Loslösung von Strukturen hin zu einer energiegeladenen, sinnfälligen Malorgie. Dazwischen Bilder, die von intensiver Suche künden. Vielschichtige Farbräume, vielfacher Übermalungen und Freilegungen, auch roher Natur, entspringend. Mit Grafit, Kreide oder auch mit dem Kugelschreiber der Malerei quasi eingeschriebene Strukturen und Konturen gegenständlicher Motive verschaffen zusätzlichen Reiz. So geht man so gerne wie man gekommen ist: über den Roten Teppich.