Anton hat eine Jacke verspeist – und ist den Folgen erlegen Foto: Max Kovalenko/PPF

Im Alter von 25 Jahren ist der Wilhelma-Eisbär Anton gestorben. Er erlag Darmverletzungen, nachdem er die Jacke eines Besuchers gefressen hatte. Ein Wiedersehen wird es mit Anton im Naturkundemuseum Schloss Rosenstein geben - als Tierpräparat.

Stuttgart - Wenige Besucher schlendern an diesem tristen Februarmorgen durch die Wilhelma – als wäre längst bekannt, dass Eisbär Anton, eine der Attraktionen des zoologisch-botanischen Gartens, nicht mehr da ist. „Warte mal, bis er zur Scheibe kommt“, sagt ein Schüler zu seinem Klassenkameraden, der mit Smartphone auf einen Eisbärenschnappschuss aus ist. „Er“ ist falsch. Corinna trottet durchs Gehege, nimmt ein Bad. Die Eisbärin bleibt bis auf weiteres einziges Eisbärenmotiv im Stuttgarter Zoo.

Anton ist 25-jährig in der Nacht zum Montag gestorben. „Todesursache war ein Fremdkörper“, teilte die Wilhelma mit. Genauer: ein Fremdkörper in seinem Magen-Darm-Trakt. Erste Untersuchungen im Veterinäruntersuchungsamt des Landes in Fellbach hätten ergeben, dass der Eisbär „schweren Darmverletzungen und -entzündungen“ erlegen sei. Anton hatte eine Jacke samt Tasche verschluckt, die wohl einem unvorsichtigen Besucher ins Gehege gefallen ist. Die Pfleger rätseln noch, warum Anton die Jacke nicht wie die anderen Fundstücke zerlegt hat. „Es muss etwas sehr Leckers darin gewesen sein, dem Anton nicht widerstehen konnte“, so Pfleger Jürgen Deisenhofer.

Wildtiere verbergen Krankheiten und Leiden vor ihren Feinden, solange es geht, um vor ihnen keine Schwäche zu zeigen. Den Fremdkörper dürfte Anton daher schon ein paar Tage länger in sich getragen haben. „Dass mit ihm etwas nicht stimmt, wurde jedenfalls erst klar, als er sich seltsam verhielt“, heißt es im Zoo. Vorige Woche habe der Eisbär zum ersten Mal Gewebestücke erbrochen. Ein vom Tierarzt verordnetes Abführmittel brachte offensichtlich nur kurzzeitig Linderung.

Anton wurde am 13. Dezember 1989 im Karlsruher Zoo geboren und wurde zeitweise von Pflegern aufgezogen. Im Sommer 1991 kam er mit Halbschwester Hallensia in die Stuttgarter Wilhelma und bezog die damals neu errichtete Bärenanlage. „Anton ist ein Frauenbär“, bescheinigte ihm vor Jahren Pfleger Andreas Wössner. Man darf ihm durchaus einen gewissen Frauenverschleiß bescheinigen, obwohl es nicht an ihm gelegen haben soll, dass er sich zuweilen umorientierte. Mit Corinna, im selben Jahr aus Kopenhagen gekommen, und mit Larissa, die 1993 von Rotterdam ins Schwäbische übergesiedelt war, hatte er unter drei Eisbärinnen die Wahl. Die eifersüchtige Larissa verlor irgendwann die Lust und wandelte sich zur Furie. Sie musste aus der Eisbären-Wohngemeinschaft ausziehen wie Hallensia, die gegen ihn ebenso die Tatze erhob.

Übrig blieb eine Art Eisbären-Traumpaar. Der „liebenswerte Eisbär“ mit gelegentlichen Macho-Allüren und die „selbstbewusste Corinna“ ergänzten sich offenbar perfekt. Das blieb nicht ohne Folgen und bescherte der Wilhelma im Jahr 2008 ein für den Stuttgarter Zoo ausuferndes öffentliches Interesse: Wilbär war während des damaligen Eisbären-Hypes um Knut in Berlin und Flocke in Nürnberg der Dritte im Bund. Allerdings ohne die vom Zoo-Publikum als so goldig empfundene, aber widernatürliche Aufzucht durch einen Pfleger.

Corinna nahm sich ihres Schützlings liebevoll an, Wilbär musste nicht von Menschenhand aufgepäppelt werden. Eisbären sind zwar die größten Landsäuger in der Arktis, dafür aber sehr sensibel. Der Umstand, dass Mütter ihre Nachkommen ablehnen, so sie sich durch irgendetwas gestört fühlen, ist nicht ungewöhnlich und lässt in freier Wildbahn nur etwa 30 Prozent der Neugeborenen überleben.

Allzu viel hat Anton von seinem Sohn nicht mitbekommen. Er wurde von Corinna und ihrem Jungen getrennt. Eisbären sind Einzelgänger. Rasch hätte er Wilbär als Konkurrenten empfunden – was für den Kleinen hätte lebensgefährlich werden können. Seit Wilbär 2009 in den Orsa-Park nach Schweden gegeben wurde, haben Corinna und Anton in trauter Zweisamkeit den Bärenfelsen der Wilhelma bewohnt. Überlebensfähiger Nachwuchs war ihnen nicht mehr beschieden. „Aber Anton war bei guter Gesundheit“, so Wilhelma-Sprecherin Karin Herczog. „Er hätte noch gut zehn Jahre gelebt.“

Ob Corinna bald einen neuen Partner bekommt, ist offen. Anton wird wie zahlreiche andere frühere Wilhelma-Tiere als präparierter Eisbär einen Platz im Museum Schloss Rosenstein erhalten.