Kämpft für die Hochschulen im Land: Theresia Bauer. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Land gegen Bund: Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) liebäugelt damit, weniger Spitzenhochschulen zu fördern. Das würde Baden-Württemberg schaden, sagt Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne).

Stuttgart -

Frau Bauer, was hat die Exzellenzinitiative in den vergangenen zehn Jahren den Universitäten gebracht?
Durch diese Bund-Länder-Initiative hat sich die Universitätslandschaft in Deutschland stark differenziert – es gibt nun eine Spitzenliga, die zehn bis 15 der forschungsstärksten Universitäten umfasst.
Wo liegt Baden-Württemberg mit seinen neun Universitäten?
Wir waren am erfolgreichsten. Insgesamt haben wir bei der Exzellenzinitiative 610 Millionen Euro eingeworben – so viel wie kein anderes Bundesland. Von diesem Geld haben die Universitäten im Südwesten sehr profitiert. Damit wurden Doktorandenschulen, Forschungsverbünde und Zukunftskonzepte, kurz: Spitzenforschung ermöglicht, die auch international mit großem Interesse wahrgenommen wurde.
Warum sind Forschungsverbünde so wichtig?
Weil sie Erkenntnisse möglich machen, die einzelne Forscher in ihrer Spezialisierung nicht erbringen könnten. An der Universität Stuttgart gibt es einen Exzellenzcluster zur Simulationstechnik, der für die Automobiltechnik wichtig ist. Der Cluster geht aber weit über die Automobiltechnik hinaus: In mehr als 60 Projekten aus den Ingenieur-, Natur-, Lebens- und Sozialwissenschaften geht es darum, reale Probleme aus ganz unterschiedlichen Bereichen virtuell nachzustellen und Lösungen zu finden, etwa durch computergestütztes Materialdesign. So inspirieren sich die Bereiche gegenseitig.
Profitiert davon vor allem die Industrie?
Von der Exzellenzinitiative profitiert die ganze Gesellschaft. Es gibt Verbünde in unterschiedlichsten Bereichen. In Tübingen ist ein Exzellenzcluster Integrative Neurowissenschaften entstanden. Wissenschaftler aus unterschiedlichen Bereichen versuchen herauszufinden, wie das Gehirn funktioniert, wie einzelne Nervenzellen in Schaltkreisen und Netzwerken zusammenwirken und damit viele Leistungen des Gehirns erst möglich machen. Das ist wichtig, um vielleicht eines Tages Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson aufhalten zu können.
Gibt es schon Ergebnisse ?
Die baden-württembergischen Hochschulen schneiden bei vielen Leistungsvergleichen überdurchschnittlich gut ab. Unter den 15 Spitzenreitern bei der Einwerbung von Forschungsmitteln oder bei den ERC-Preisträgern sind immer drei, vier oder fünf aus Baden-Württemberg. Die Währung der Wissenschaft sind die Publikationen, die in den wichtigsten Wissenschaftsjournalen weltweit veröffentlicht und zitiert werden. Die Förderung von Forschungsverbünden hat aber auch zu einer intensiveren Kooperationen mit Industrie und Wirtschaft geführt – ein hohes Gut, das erhalten werden muss.
Wie geht es nach 2017 weiter, wenn die Exzellenzinitiative endet. Bundesbildungsministerin Wanka liebäugelt mit zwei bis drei Standorten. Was halten Sie davon?
Gar nichts. Wenn nur noch zwei oder drei Spitzenstandorte gefördert würden, würde das einem Rückbau der deutschen Forschungslandschaft gleichkommen. Wir würden dann viele exzellente Verlierer produzieren – und zwar ohne Not. Die deutsche Universitätslandschaft ist dezentral aufgestellt und ebenso die Spitzenforschung. Ich wüsste nicht, welchen Vorteil es bringen sollte, nur noch zwei oder drei. Im Gegenteil: Wir würden etlichen Hochschulen, die global wettbewerbsfähig sind und einen hervorragenden Ruf haben, die internationale Sichtbarkeit nehmen.
Was schlagen Sie vor?
Ich plädiere für zwei Komponenten: Weiterhin sollten sich Universitäten mit neuen Schwerpunkten und Ideen bewerben können. Die Ausgewählten sollten länger als bisher gefördert werden. Als neue Förderlinie sollten Universitäten, die schon hervorragende Forschungserfolge vorweisen können, einen Bonus bekommen, um Freiräume für strategisches Handeln zu erhalten.
Nötig sei Exzellenz nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Lehre, fordern Studenten. Was tun Sie für bessere Studienbedingungen?
Man sollte nicht versuchen, mit einem Instrument alles abzudecken. Es gibt zudem eine eigene Förderlinie Exzellenz in der Lehre, die der Bund hoffentlich auch längerfristig unterstützt. Durch den Ausbau der Studienplätze in den vergangenen Jahren kommen heute mehr Studenten auf einen Professor als früher. Wir arbeiten daran, die Betreuungsrelation wieder zu verbessern.
Woher nehmen Sie das Geld?
Wir haben mit dem neuen Hochschulfinanzierungsvertrag unseren Teil der Aufgabe erfüllt. Nun warten wir darauf, dass der Bund seine Zusagen einhält. 2014 wurde das Kooperationsverbot im Hochschulbereich aufgehoben, der Bund kann also die Hochschulen jetzt dauerhaft fördern. Das vom Bundesbildungsministerium angekündigte Programm für den wissenschaftlichen Nachwuchs lässt aber leider dennoch auf sich warten. Wenn wir unseren jungen klugen Köpfen nicht früh eine Perspektive bieten, besteht die Gefahr, dass sie abwandern.
Auf die Hochschulen kommen weitere Aufgaben zu. Ein Teil der Flüchtlinge möchte gerne studieren. Was braucht es dazu?
Das Wichtigste ist, die Hürden zu senken – natürlich nicht bei der Qualität. Wichtig ist aber, dass niemand abgehalten wird, weil die Papiere bei der Flucht verloren gingen oder das Geld fehlt. Flüchtlinge, die keine Hochschulzugangsberechtigung vorlegen können, sollen deshalb in einem einfachen Verfahren ihre Studierfähigkeit nachweisen können. Wir setzen uns zudem dafür ein, dass sie nach der Aufnahme eines Studiums weiterhin Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten oder schneller Bafög bekommen. Nötig sind auch Sprachkurse, damit die Studierenden schnell Deutsch lernen können.
Wie sollen die Hochschulen die Integration schaffen? Schon heute brechen deutlich mehr Ausländer ihr Bachelor-Studium ab . . .
Wir wollen natürlich, dass diejenigen, die mit dem Studium beginnen, auch erfolgreich abschließen. Wichtig ist ein guter Start. Dabei helfen neben Sprachkursen Vorbereitungskurse aller Art, etwa auch in Mathe. Nebenbei bemerkt: Davon profitieren angesichts der zunehmenden Vielfalt an den Hochschulen nicht nur ausländische Studierende. Wir haben in jedem Regierungsbezirk eine Koordinierungsstelle eingerichtet, die die Angebote der Hochschulen und vieler Initiativen vernetzt. Ab Mitte Oktober stellen wir auf unserer Internetseite einen Online-Wegweiser zum Studium bereit. Nach unseren bisherigen Erfahrungen bringen viele studieninteressierte Flüchtlinge eine hohe Motivation und gute Vorkenntnisse mit. Sie haben den nötigen Biss, um erfolgreich zu studieren. Wir müssen sie dabei unterstützen. Nichts wirkt motivierender auf eine Gruppe, als erfolgreiche Vorbilder. Ehemalige Flüchtlinge als stolze Absolventen unserer Hochschulen wären ein großartiges Signal für alle Teile unserer Gesellschaft: Leistung lohnt sich!