Freunde: Abuhassan Abomghara, Siegfried Ortlieb und Khaled Aldeen (v. li.). Foto: Lichtgut/Volker Hoschek

Wie Hunderte andere Stuttgarter auch engagiert sich Siegfried Ortlieb ehrenamtlich für Flüchtlinge. Das Eintreten des Vorruheständlers aus Uhlbach geht jedoch weit über das hinaus, was üblicherweise in den Flüchtlingsfreundeskreisen angepackt wird. Rückschläge nimmt er gelassen.

Stuttgart - Seit der Errichtung der ersten größeren Massenquartiere für Asylsuchende in der Region hat Siegfried Ortlieb dieses Thema beschäftigt. „Was kann man machen, dass die Menschen dort während des Wartens auf ihr Asylverfahren nicht nur rumhängen, sondern einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen können?“, fragte sich der 64-Jährige schon vor knapp zwei Jahren.

Da es dem Vorruheständler an Zeit nicht mangelte und an Kontaktfreude schon gar nicht, besuchte er ab Mai 2014 regelmäßig die Unterkunft in Fellbach. Persönliche Kontakte gab es rasch mit ein paar Afrikanern, vor allem aber mit Syrern. Gut zehn Mann konnte Ortlieb dafür gewinnen, das verwilderte, 1,2 Hektar große Gartengrundstück seines Bruders in Uhlbach auf Vordermann zu bringen. Als Gegenleistung für den körperlichen Einsatz gab es für die Helfer Naturalien oder ein kleines Taschengeld. Offiziell verdienen durften sie ja nichts. Aber das war für sie zu dieser Zeit auch nicht die Motivation, sondern eine willkommene Abwechslung zum sonst meist tristen Alltag.

Fisch- und Gemüsezucht

Die meisten blieben auch dabei, als Ortlieb im Frühjahr 2015 auf dem Grundstück eine Fisch- und Gemüsezucht aufzuziehen begann. Über den Versuch, diese sogenannte Aquaponics-Farm zu vermarkten, lächelt Siegfried Ortlieb nachträglich. „Kommerziell war es ein Flop, als Training aber ganz gut“, sagt er. Auch wenn Ortlieb dabei eine ordentliche Stange privates Geld in den Sand setzte, so lernte er seine syrischen Mitstreiter, deren Motivation und beruflichen Potenziale mit der Zeit immer besser kennen. „Wie in jeder Gesellschaft gibt es auch da Fleißige und Bequeme. Man muss halt sortieren lernen“, sagt Ortlieb. Denen, die hier wirklich vorankommen und sich in der deutschen Gesellschaft etablieren wollen, will er sich widmen.

Von seinen Versuchen, eine Genossenschaft für die Vermarktung der Arbeitspotenziale der Asylanten zu gründen, hat der frühere Kaufmann Abstand genommen. Das Finanzamt stellte sich quer. Auch die geplante Eröffnung eines auf arabische Waren spezialisierten Ladens in Wangen erschien dem Uhlbacher letztlich als zu riskant. „Das vorige Jahr war auch für mich ein Lernprozess. Ich habe manche Träume und Ambitionen zurückgeschraubt“, sagt Siegfried Ortlieb. Geblieben ist der von ihm gegründete und geführte Verein „Asylhilfe für Syrien“. Der Verein soll einerseits als Vehikel auf der Suche nach Wohnungen und Arbeitsplätzen für die Asylanten dienen, ihnen aber auch konkrete Serviceleistungen bei Fragen zu Asylverfahren, zu Ärzten, Versicherungen oder Banken geben.

Obwohl manches im zurückliegenden Jahr nicht funktioniert hat und es manchmal auch ziemliche Rückschläge gab, ist Ortliebs Glaube an seine eigene Mission ungebrochen: „Wenn ich am Ende auch nur einen Einzigen begleitet habe, der hier Fuß fasst, hätte ich mein Ziel erreicht.“

Vor einem Jahr aus Syrien geflüchtet

Am nächsten dran scheint Khaled Saif Aldeen. Der 33-jährige Tierarzt ist Anfang 2015 zusammen mit seiner Frau und der dreijährigen Tochter aus Syrien geflüchtet. Frau und Kind musste Aldeen in der Türkei zurücklassen, ehe er über Serbien, Ungarn und Österreich vor knapp einem Jahr in Fellbach ankam. Seine tierärztlichen Kenntnisse brachte Aldeen in die Fischfarm ein, wie der gelernte Apotheker Abuhassan Abomghara gehört der Tierarzt zu Ortliebs engstem Kreis, ist fast täglich mit ihnen zusammen. Der Deutsche bezeichnet die beiden Syrer längst als seine Freunde. „Sie lernen von mir ein wenig Deutsch, ich im Gegenzug Arabisch“, so Ortlieb.

Anfangs drohte Aldeen gemäß des Dublin-Abkommens die Abschiebung. Nach Monaten der Ungewissheit konnte der Syrer im Oktober nun dank des von Ortlieb vermittelten Rechtsanwalts in Karlsruhe den Asylantrag stellen. „Jetzt wartet der Doktor auf das Anhörungsverfahren. Auch wenn das ganze Prozedere an seinen Nerven zerrt, so stehen die Chancen, dass sein Antrag anerkannt wird und er in den nächsten sechs Monaten seine Familie aus der Türkei holen kann, gut“, glaubt Siegfried Ortlieb. Eine mögliche Wohnung für die Familie hat der Uhlbacher schon ins Visier genommen.