Mit frischen Kräutern wird der eigenen Frischkäse verfeinert Foto: Schmidt

Der Bregenzer Wald ist alles andere als hinterwäldlerisch – man kann bei einem innovativen Bauern sogar ein Käse-Di­plom ablegen. Unsere Autorin hat es ausprobiert.

Egg - Wollt’s ihr Kuh oder Ziege? Schon schöpft Ingo Metzler jedem nach Wunsch fünf Liter frische Bregenzerwälder Milch in die Schüssel. „In vier Stunden“, strahlt der Meister in die Runde „ist alles Käse.“

Aber wie? Seine Schüler waren doch eben noch Vorarlberg-Touristen. Jetzt hat er sie zu Kurzzeit-Sennern ernannt, mit weißer Schürze um die Hüften und feschen weißen Schiffchen auf dem Kopf. Ratlos balancieren sie den mit Milch gefüllten Topf zu ihren Arbeitsplätzen im Beton-Anbau des Metzler’schen Bergbauernhofs am Rande des winzigen Dorfs Egg. So viele Gerätschaften und Zutaten! „Das Prinzip ist ganz einfach“, erklärt der Meister fröhlich. Das Weißlich-Dickliche im Glas etwa seien Milchsäurebakterien. Die verdrängen die schlechten Mikroorganismen. Und was steckt in dem Arzneifläschchen? Lab, nur tropfenweise zu verwenden, mahnt der Käsemacher. Und dann würden sie schon erleben, wie dieses famose Enzym aus dem Kälbermagen ihre Milch andickt, ohne dass sie sauer wird.

Doch erst heißt es, die Flüssigkeit auf zarter Flamme rühren, rühren, rühren. Immer schön rechts herum. Denn sie muss vor dem Laben warm werden, erst bis 28 Grad. Dann kommen Säurebakterien dazu. Und danach wieder weiterrühren unter ständiger Beobachtung des Thermometers, exakt bis Körperwärmetemperatur.

Metzler betreibt die einzige Sennschule im Bregenzer Wald, in der Touristen ihren eigenen Käse machen können. Und hat auch sonst seinen eigenen kreativen Kopf wie so viele hier in der Gegend. Mehrere Architekten, erzählt der umtriebige Mittvierziger, hat er an den Rand der Verzweiflung gebracht, bis einer seine Vorstellungen eines modernen Stalls umsetzte. Ein strenger Kubus mit Sichtbeton und viel Glas, aber doch die Tradition nicht vergessend, dank der Fassade aus Weißtanne-Holzschindeln. Und deshalb auch kein Fremdkörper neben dem alten Wohnhaus mit weit heruntergezogenem Dach und roten Geranien vor den Fenstern.

„Wir sind Wälder, aber keine Hinterwäldler“, sagt der Bauer stolz. Hocheffizient ist der Stall ausgelegt, aber gleichzeitig ein Schaustück für Besucher. Die sehen von der Galerie aus entzückt zu, wie die 16 Kühe in dem lichten Raum gemütlich fressen und 50 Ziegen vergnügt herumtollen. Zum Dank geben sie täglich 1500 Liter Milch. Und die Metzlers produzieren daraus 20 Sorten Hart- und Weichkäse.

Dafür reicht die Zeit für die Schüler nicht. Sie machen Frischkäse. Wie schnittfester Joghurt sieht die Milch nach der Lab-Zugabe und 35 Minuten Gerinnungszeit aus. Messerprobe, passt. Jetzt die Käseharfe ansetzen, fordert Metzler auf. Käseharfe? Das Gerät, das wie ein überdimensionierter grader Eierschneider aussieht. Und schön durchziehen. Danach mit der Kelle die Masse vorsichtig umheben und immer tiefer gehen. Bis der „Bruch“ übrig bleibt: wabbelige Bröckchen – und sich ganz viel Flüssigkeit abgesetzt hat. Das ist die Molke.

Jetzt begreifen sie, warum aus einem Liter Milch nur 100 Gramm Käse herauskommen. Sonst ist die Molke Abfallprodukt. Nicht bei Metzler. Er experimentierte mit einem befreundeten Apotheker herum und entdeckte wieder, „wie damals Cleopatra, dass Molke schön und gesund macht“. Im hofeigenen Labor wird sie zum „Kurbad mit Lavendel“ oder zur Gesichtscreme. Und danach, hübsch verpackt, in den Bregenzerwälder Hofläden zu einem netten Mitbringsel.

Die findet man in allen 24 Orten auf der Bregenzerwälder Käsestraße. Auch wieder so eine pfiffige Idee der weltoffenen Wälder. Es ist, natürlich, auch eine Ferienroute mit Logo, das vor jedem Teilnehmer-Betrieb prangt, wo man kosten, kaufen, zuschauen kann. Aber in erster Linie gegründet als regionales Netzwerk, um mit einer einzigen Marke als kleine Region schlagkräftiger gegen die große Konkurrenz zu sein. Inzwischen sind es über 200 Mitglieder, Bauern und Sennereien, auch Museen gehören dazu, Gasthäuser, Handwerksbetriebe, Seilbahngesellschaften. Alle treten sie an mit einer gemeinsamen Verpflichtung: Sie wollen die Bregenzerwälder Landschaft, die kleinen Strukturen und ihre heimischen Produkte erhalten.

„Kostet mal, unseren Bregenzerwälder Alpkäse, den die Senner auf den Hochalpen im Sommer nur von Hand schöpfen“, ruft Metzlers Frau zum Imbiss. Gleich, sagt ihr Mann zu seinen Schülern, erst kommt noch der kreative Teil des Käsens: Das Zusetzen von Kräutern und Gewürzen. Alle mischen je nach Gusto Chili, Knoblauch, Paprika, Curry, rosa Pfefferkörner, in ein Schälchen. Jetzt heißt es warten bis auch die letzte Flüssigkeit draußen ist.

Derweil gibt Metzler den duftenden Käseimbiss frei und erzählt von der dreistufigen Landwirtschaft im Bregenzer Wald: Im Frühjahr und Herbst futtert das Vieh auf den Wiesen und Weiden in den mittleren Höhen, im Sommer auf den Hochweiden. Und die Talwiesen liefern das Heu im Winter. „Silage ist bei uns verpönt. Das macht unseren Käse so einzigartig.“ Dürfen sie jetzt endlich ihren eigenen Käse kosten? Immerhin sieht das, was sie am Ende aus den Plastikbehältern holen, schon sehr danach aus. Noch nicht, gibt Metzler ihnen auf den Weg, erst in ein, zwei Tagen sei er essbereit.