Anlagenbau bei Heideldruck in Heidelberg – Maschinen sollen intelligentere Steuerungen erhalten Foto: dpa

Industrie 4.0 gilt als Megatrend in allen klassischen Industriebranchen. In Zukunft könnten Produkte direkt vom Konsumenten in Auftrag gegeben und in smarten Fabriken produziert werden. Die Vernetzung von echter und virtueller Welt ist aber eine Herausforderung – vor allem für den Mittelstand. 

Industrie 4.0 gilt als Megatrend in allen klassischen Industriebranchen. In Zukunft könnten Produkte direkt vom Konsumenten in Auftrag gegeben und in smarten Fabriken produziert werden. Die Vernetzung von echter und virtueller Welt ist aber eine Herausforderung – vor allem für den Mittelstand. 

Stuttgart – Nach der Erfindung der Dampfmaschine, der Einführung der Fließbandproduktion und dem Einsatz von Computern und Speicherchips könnte das Zusammenwachsen von Maschinen und Software die Warenwelt der Zukunft umkrempeln. Maschinen, die sich untereinander via Software austauschen und immer genau wissen, wie viel Material wann und wo benötigt wird. Dazu kommt eine direkte Verbindung über das Internet zum Kunden, der seine Wünsche nahezu in Echtzeit von Robotern in Fabriken umsetzen lassen kann.

Die Potenziale dieser Entwicklung, die auch Eingang in die High-Tech-Strategie der Bundesregierung gefunden hat, sind nach Einschätzung von Experten enorm. Gemäß einer kürzlich veröffentlichten Studie der Unternehmensberatung McKinsey könnte das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands allein wegen Industrie 4.0 innerhalb in den kommenden zehn Jahren um 200 Milliarden Euro anwachsen.

Deutschland verfüge aufgrund seiner Industriestruktur – viele IT-Unternehmen und eine weltweite Führungsrolle in Maschinenbau und Automatisierungstechnik – über „optimale Startvoraussetzungen“, schreiben die McKinsey-Experten.

Zu ähnlichen Ergebnissen kam in diesem Frühjahr auch eine breit angelegte Studie des auf Produktionstechnologie spezialisierten Stuttgarter Fraunhofer-Instituts IPA im Auftrag des Landeswirtschaftsministeriums.

Das Interesse der baden-württembergischen Landesregierung an dem Thema hat einen Grund. Allein im Südwesten ballen sich rund 30 Prozent der bundesdeutschen Maschinenbauumsätze. Zwar fehlt es abgesehen vom Walldorfer IT-Riesen SAP im Software-Bereich an Weltkonzernen, allerdings haben sich im Schlepptau der Automobil- und Maschinenbaubranche eine Vielzahl kleiner, aber hoch spezialisierter IT-Dienstleister und -Entwickler etabliert.

Die klein- und mittelständische Struktur der Firmen hat allerdings auch Nachteile. Der Grund: Konzernen fällt es meist deutlich einfacher, Technologiesprünge wie Industrie 4.0 aufzugreifen und weiterzudrehen. US-amerikanische Internet- und IT-Riesen wie Apple, Microsoft und Google haben das Thema auf ihre Agenda gesetzt, und in der Branche geht die Angst um, dass sie der hiesigen Wirtschaft den Rang ablaufen könnten. „Wir müssen das Thema „positiv aufgreifen und in die Breite bringen“, sagte beispielsweise Christoph Hahn-Woernle, Vorsitzender des Maschinenbauerverbands VDMA im Südwesten, am Rande des Maschinenbaudialogs am Montag in Stuttgart. Und Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) ergänzt: Eine entscheidende Frage werde sein, wie gut man mit dem Thema bei den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) durchdringe.

Die Bemühungen, die Kleinfirmen fit für die vierte industrielle Revolution zu machen, sollen daher forciert werden. Um den Ideenaustausch zu erhöhen und den Firmen eine Anlaufstelle zu bieten, will Schmid zusammen mit dem VDMA und der IG Metall eine gemeinsame Plattform schaffen. Die Bedeutung des Themas ist auch bei den Arbeitnehmern erkannt. „Industrie 4.0 ist ein zentrales Thema der kommenden Jahrzehnte“, sagt der IG-Metall-Bezirksleiter im Südwesten, Roman Zitzelsberger.

Nun soll eine Landesstrategie den Transfer des Zukunftsthemas in den Mittelstand fördern. Ähnlich ist das Land in der Vergangenheit auch bei anderen Zukunftsthemen vorgegangen. Für die Schlüsselbereiche E-Mobilität und Leichtbau wurden sogenannte Landesagenturen gegründet, die als Kompetenzzentren die Entwicklung in Baden-Württemberg vorantreiben sollen. Beide Bereiche sind in den vergangenen Jahren mit insgesamt 130 Millionen Euro Landesgeld gefördert worden.

So weit will man beim Engagement für Industrie 4.0 aber nicht gehen. Die Gründung einer eigenen Landesagentur stehe nicht auf dem Programm, sagte Schmid und verwies auf bereits laufende Projekte unter Landesbeteiligung, wie etwa die Arena 2036. Unter Federführung der Uni Stuttgart entsteht derzeit auf dem Campus der Universität eine Zukunftsfabrik, in der vollautomatisch produziert werden soll. Industrie-4.0-Technologien sind dabei zentral.

Die Umsetzung von Zukunftsfragen im industriellen Bereich stützt sich in Baden-Württemberg auf einen Dialog zwischen Landesregierung, Gewerkschaften und Spartenverbänden. Vorbildfunktion hat der sogenannte Maschinenbaudialog. Die Branche stellt mit mehr als 300 000 Mitarbeitern die wichtigste Industriesparte im Land dar. Im Jahr 2012 aus der Taufe gehoben, soll die übergreifende Zusammenarbeit dazu beitragen, Probleme schnell zu erkennen und effiziente Lösungen hervorzubringen. In der herben Branchenkrise der Jahre 2009 und 2010 half eine enge Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und der IG Metall zusammen mit bundesstaatlichen Regeln wie der Kurzarbeit, viele Jobs zu halten. Nach der Krise konnten die Firmen so wieder schnell auf einen Wachstumspfad zurückkehren.