Beim gemeinsamen Sport treiben gelingt Integration meist spielend Foto: StN

Es ist für Menschen aus aller Welt nicht immer einfach, sich in einer neuen Umgebung zurecht zu finden und sich zu integrieren. Sportvereine können dabei eine echte Hilfestellung bieten.

Stuttgart - Skateboards donnern über die hölzernen Rampen in der Skateboard-Halle Boost in Bad Cannstatt. Die Jugendlichen tragen Jeans, schwarze Kapuzenpullis, schwarze Mützen. Gesprochen wird wenig, es schaut jeder auf sich. Es geht um Ehrgeiz und Geduld, wenn man weiter kommen will. „Sprachbarrieren gibt es kaum, weil die Skateboard-Sprache Englisch ist, und es beim Lernen um Sehen und Tun geht“, sagt Ralf Knecht, Vorstandsmitglied bei Boost.

Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sind längst integriert, nun will Boost auch den Flüchtlingskindern eine Abwechslung zum Alltag bieten. „Wir werden im Januar Listen im Containerdorf neben der Schleyerhalle aushängen“, sagt Ralf Knecht. Drei Trainer können bis zu 20 angehende Boarder jeden Donnerstag 75 Minuten betreuen, die Ausrüstung wird gestellt. „Wir müssen was für die Kinder tun, die traumatisiert sind und ihnen helfen, in der fremden Welt klarzukommen“, sagt Knecht.

Sie kommen aus Afrika, Osteuropa, dem Nahen Osten. Menschen die in Deutschland Schutz und eine Zukunft suchen. Menschen, die in Deutschland aber warten müssen, wie andere über sie entscheiden. „Es soll eine langfristige Sache werden. Vor allem, wenn die neue Skaterhalle fertig ist“, sagt Knecht. Boost ist ein Beispiel von vielen, dass der Sport viel tun kann. So man ihn lässt.

Welchen Beitrag der Sport für Flüchtlinge leisten kann, wurde auch im November im Workshop „Sport für und mit Flüchtlingen“ behandelt. Einige Vereine haben bereits Kontakt mit Ansprechpartnern in Flüchtlingsunterkünften aufgenommen. „Es wird verschiedene Wege in der Arbeit mit Flüchtlingen beziehungsweise in den Unterkünften geben“, sagt Dominik Hermet, Geschäftsführer des Sportkreises Stuttgart, der die Vereine für das Thema sensibilisieren will. „Wir müssen beachten, welche Bedürfnisse die Menschen haben“ , sagt Hermet.

Ende Dezember waren in Stuttgart 2514 Flüchtlinge aus 44 Nationen gemeldet, die in 69 Unterkünften wohnen. 60 Prozent leben in Familien. Der TV Plieningen hat eine lange Tradition als politisch engagierter Verein und setzte sich schon vor 20 Jahren für Flüchtlinge ein. „Alles haben wir damals nicht richtig gemacht“, gesteht Folker Baur. Diesmal will man die Menschen erst mal ankommen lassen. 40 leben bereits in den Systembauten, etwa 15 Mitglieder des TVP wollen sich als Paten engagieren. Wenn sich die Menschen für ein Sportangebot entschieden haben, werden sie von der Unterkunft zur Sportstätte begleiten. Sportklamotten gibt es aus der Kleiderkammer. „Wir müssen behutsam vorgehen, je nach Fall Jungen und Mädchen trennen“, sagt der Clubchef. Fußball funktioniert immer, aber in Plieningen sollen die Gäste auch beim Schwimmen oder Mutter-Kind-Turnen die Erlebnisse in ihrer Heimat vergessen können. Baur ist auch im Gespräch mit zwei Reiterhöfen. „Es ist unsere Pflicht zu helfen, aber natürlich dürfen wir die benachteiligten Kinder bei uns nicht vergessen“, sagt Folker Baur.

Ähnlich denkt auch Peter Obst, der Vorsitzende des VfL Stuttgart. Die beiden Kunstrasenplätze im Neckarpark dürfen Flüchtlinge schon jetzt außerhalb der Trainingszeiten benutzen, auch der vereinseigene Spielplatz steht den Familien offen. Obst möchte aber auch Mitglieder für den Verein gewinnen und setzt dabei auf die Hilfe von Jean-Jacques Ebongue. Der Kameruner spielt Fußball in der Kreisligamannschaft und spricht fünf Sprachen fließend. „Sie sollen das Gefühl haben: Hier bin ich gut aufgehoben und willkommen“, sagt Obst.

Der VfL Stuttgart hat durch Angebote wie dem Fest der Nationen oder Schwimmen für muslimische Frauen Preise für gelungene Integration gewonnen. Peter Obst ist froh, dass vergangene Woche auch die die Versicherungsfrage geregelt. Die Flüchtlinge sind während der aktiven Teilnahme an einem Sportangebot eines Vereins, der Mitglied im WLSB ist, versichert. Peter Obst und seine Mitstreiter wissen, dass es der Sport allein nicht richten kann. Doch er hilft, dass die Menschen den Kopf frei bekommen, Energie ablassen und neues Selbstbewusstsein tanken können. Und natürlich hilft der Sport auch dabei, Freunde finden und ein Netzwerk in der neuen Umgebung aufzubauen.