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An diesem Dienstag gibt es in Karlsruhe den ersten Prozess über die Folgen des Silikon-Skandals.

Karlsruhe - Nachdem Iris Herold drei Kinder auf die Welt gebracht hatte, war sie mit dem Aussehen ihrer Brüste nicht mehr zufrieden. „Da war nicht mehr viel übrig“, sagt die 40-Jährige. Als außerdem eine Zyste gefunden wurde und ohnehin eine OP anstand, ging sie zu einem renommierten Facharzt für Plastische Chirurgie in Karlsruhe. Der empfahl ihr Implantate aus Silikon. „Er sagte: Die halten ein Leben lang“, erinnert sie sich. „Wir haben extra gefragt, ob es noch andere, bessere Implantate gebe. Aber der Arzt sagte, es seien die besten und teuersten Implantate, die auf dem Markt sind. Und das stimmte definitiv nicht.“

Im April 2007 setzte der Chirurg Iris Herold zwei Implantate des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) ein. Die gelernte Sekretärin zahlte dafür 5800 Euro. Was sie nicht wusste: Die Kissen waren mit billigem Industriesilikon gefüllt. Herold verlangt nun bis zu 30 000 Euro Schmerzensgeld und Schadenersatz. An diesem Dienstag wird der Fall vor dem Landgericht Karlsruhe verhandelt. Nach Angaben der Anwälte ist es in Deutschland der erste Prozess über die Folgen des Silikon-Skandals.

Jahrelang hatte PIP die Brustimplantate verkauft – 2010 wurde der Skandal bekannt. Die Firma ist inzwischen pleite, ihr Gründer saß zeitweise im Gefängnis. Er hatte zugegeben, absichtlich das billige Material verwendet zu haben. Rund 500 000 Frauen sollen weltweit betroffen sein, in Deutschland rund 5000. Allein in Baden-Württemberg haben sich 887 Frauen die minderwertigen Silikonkissen implantieren lassen. Bis Mitte 2012 wurden bundesweit 1000 Implantate wieder entfernt. Bei mehr als einem Viertel der gemeldeten Fälle waren ein Kissen gerissen, bei jedem fünften Silikon ausgetreten.

Etwa drei Jahre nach der Operation fühlte sich Iris Herold ständig müde und hatte ein Taubheitsgefühl in Gesicht und Arm. Schließlich, so erzählt sie, kamen auch Schmerzen in der rechten Brust hinzu. Eher zufällig erfährt sie vom Skandal und sucht sich einen Anwalt.

Da PIP insolvent ist, richtet sich die Klage gegen andere: Den Chirurgen, dem die Anwälte vorwerfen, er habe nicht ausreichend über Risiken aufgeklärt; den Tüv Rheinland, weil er die Implantate zertifiziert hatte; den Silikon-Lieferanten, der nicht überprüft habe, wozu PIP das Produkt verwendet; dazu die Versicherung von PIP und schließlich die Bundesrepublik Deutschland wegen Amtspflichtverletzung. „Mindestens einer der fünf Beklagten muss haften“, sagt ihr Anwalt Michael Graf, der rund 250 Geschädigte vertritt.