Nach Vollnarkose oder lokaler Betäubung wird die Bauchdecke in der Bikinizone horizontal und schichtweise mit dem Skalpell geöffnet. Dann wird das Kind entnommen und die einzelnen Schichten wieder vernäht. Foto: Fotolia

Jedes dritte Kind in Deutschland kommt mittlerweile per Kaiserschnitt zur Welt, die Zahlen steigen stetig weiter. Nur wenige Mütter wünschen sich diese Geburtsart wirklich – aber in immer mehr Kliniken fehlt die Erfahrung für kompliziertere Geburten auf natürlichem Weg.

Stuttgart - Schneller Schnitt, langer Weg. Diese vier Worte fassen für Kathrin Scheck am besten zusammen, was ihre Kaiserschnittgeburten für sie bedeutet haben. Die 40-Jährige hat drei Kinder. Die erste Tochter wird aufgrund einer Beckenendlage – sie liegt also mit dem Po in Richtung Geburtskanal – per Kaiserschnitt zur Welt gebracht. Kathrin Scheck hinterfragt die Entscheidung ihres Arztes nicht. Dann wird sie wieder schwanger, und will ihr Kind unbedingt natürlich gebären. Es spricht zunächst auch nichts dagegen, das Kind liegt richtig herum. Doch es wird wieder ein Kaiserschnitt. Diesmal hat die Stuttgarterin mächtig daran zu knabbern. „Ich hatte nicht das Gefühl, das Kind selbst auf die Welt gebracht zu haben und bin in ein tiefes Loch gestürzt.“

Mit diesem Erlebnis steht Kathrin Scheck nicht allein da. Für ihr Buch „Meine Wunschgeburt“ (Edition Riedenburg, 24,90 Euro), das sie zusammen mit der Ärztin Ute Taschner geschrieben hat, hat sie Berichte von Frauen gesammelt, die einen oder mehrere Kaiserschnitte erlebt haben. Ein Teil der Frauen hat die Operation weder körperlich noch seelisch belastet. Viele erzählen jedoch, dass der schnelle Schnitt lange nachgewirkt hat. „Ich hatte keine natürliche Abtrennung erlebt, so war es mir in den ersten Momenten fast unmöglich, meine Kleine aus der Hand zu geben“, sagt Melissa, 39. „Ich hatte schreckliche Schuld-, beziehungsweise Versagensgefühle“, berichtet Tanja.

Viele Frauen wollen nach einer Kaiserschnittgeburt noch einmal natürlich gebären. Doch laut dem jüngsten Faktencheck Gesundheit der Bertelsmann Stiftung hat besonders die Re-sectio, also ein Kaiserschnitt nach einem vorangegangenen Kaiserschnitt, einen hohen Einfluss auf den Anstieg der Kaiserschnittrate in Deutschland – obwohl die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe den Versuch einer vaginalen Geburt nach einem Kaiserschnitt nahelegt.

Der viel zitierte Wunschkaiserschnitt ist selten

Der Faktencheck Gesundheit hat auch herausgefunden, dass die Kaiserschnittrate immer weiter ansteigt: Mittlerweile wird ein Drittel der Kinder auf diese Weise zur Welt gebracht. In manchen Regionen Deutschlands liegt die Rate sogar bei 51 Prozent. Und das nicht etwa deswegen, weil sich immer mehr Frauen eine Geburt nach Termin wünschen: „Eines ist klar: Der viel zitierte Wunschkaiserschnitt ist selten. Der Anteil liegt bei zwei Prozent der Schwangeren“, sagt Gesundheitswissenschaftlerin Petra Kolip von der Universität Bielefeld, Mitautorin des Faktenchecks.

Ebenfalls relativ gering ist der Anteil der Kaiserschnitte, die gemacht werden, weil es keine andere gefahrlose Möglichkeit für die Geburt gibt. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Mutterkuchen vor dem Muttermund liegt, das Kind quer liegt, die Gebärmutter reißt oder die kindliche Herzfrequenz für längere Zeit stark absinkt: „Laut Weltgesundheitsorganisation erfolgen durchschnittlich zehn Prozent der Kaiserschnitte wegen einer deutlichen Gefährdung für Mutter oder Kind“, sagt Gesundheitswissenschaftlerin Petra Kolip.

Verändert habe sich vor allem das Verhalten in den Situationen mit relativen Indikationen – wenn es also im Ermessensspielraum des Geburtshelfers liegt, ob ein Kaiserschnitt gemacht wird oder nicht. „Dieser Handlungsspielraum und die Bewertung von Risiken werden in den Kliniken sehr unterschiedlich genutzt“, sagt Kolip. Zu relativen Indikationen gehören der bereits erwähnte Kaiserschnitt nach vorangegangener Kaiserschnittgeburt, Beckenendlage, Geburtsstillstand oder Mehrlingsgeburten.

Frauen oft schlecht informiert

Warum in solchen Situationen häufiger der Kaiserschnitt gewählt wird, dafür gibt es laut Faktencheck Gesundheit verschiedene Gründe. Ein wichtiger Faktor sei die abnehmende Erfahrung der Geburtshelfer in der Betreuung komplizierter natürlicher Geburten. Diese Ansicht teilt Autorin Kathrin Scheck. „Es gibt zum Beispiel immer weniger Kliniken, die eine Steißgeburt begleiten. Damit geht immer mehr Wissen verloren.“

Auch der Faktencheck Gesundheit berichtet, dass Schwangere häufig keine Klinik mehr finden, die sie bei einem Wunsch nach natürlicher Geburt etwa bei Zwillingen unterstützen. Eine Spezialisierung von einigen Kliniken auf die Betreuung werdender Mütter in solchen Situation sieht der Faktencheck Gesundheit als eine Maßnahme, dem Trend steigender Kaiserschnittraten entgegenzuwirken. Andere Möglichkeiten wären eine vermehrte Einbindung von Hebammen oder eine bessere Abstimmung bei der Schwangerenbetreuung zwischen Frauenärzten und Hebammen.

Dass die Sectio-Rate durch eine bessere Zusammenarbeit aller Beteiligten tatsächlich gesenkt werden kann, beschreibt Barbara Filsinger, Chefärztin der geburtshilflichen Klinik im Sankt Marien- und Sankt Anna Stiftskrankenhaus in ihrem Gastbeitrag für das Buch „Meine Wunschgeburt“. In ihrer Klinik wurde die Kaiserschnittrate innerhalb von drei Jahren von 30 auf etwa 23 bis 25 Prozent gesenkt. Ausschlaggebend ist für Filsinger dabei auch eine gute Beratung der Schwangeren, um Ängste zu nehmen. „Das Thema Kaiserschnitt darf in den Vorbereitungskursen nicht fehlen, denn immerhin ist dies ein Geburtsmodus, den ein Drittel der Frauen bei einer Klinikgeburt erleben werden“, schreibt Filsinger.

Dass viele Frauen nicht richtig informiert sind, hat Kathrin Scheck und Ute Taschner dazu bewogen, ein Buch für Frauen zu schreiben, die nach ihrem Kaiserschnitt noch einmal spontan gebären möchten. Dort werden mögliche Wege aufgezeigt – und auch über die Geburt per Schnitt wird ausführlich berichtet: „Der Kaiserschnitt ist ja auch nichts böses. Und es gibt viele Situationen, in denen er sogar lebensrettend ist.“ Trotzdem ist Kathrin Scheck froh, dass sie ihr drittes Kind natürlich auf die Welt gebracht hat. „Das war ein Befreiungsschlag und ein Glück, das ich nicht missen will.“