Die Kanzlerin auf der letzten IAA vor zwei Jahren: Nach dem Dieselskandal muss Angela Merkel in diesem Jahr besonders darauf achten, in welches Auto sie sich setzt. Foto: dpa

Die Kanzlerin will auf der IAA deutliche Worte für die Fehler der Automobilbranche finden. Kretschmann geht nicht zu Porsche.

Berlin - Wenn Kanzlerin Angela Merkel am kommenden Donnerstag die IAA eröffnet, wird es anders sein als sonst: Trotz des festlichen Rahmens wird die deutsche Regierungschefin die Dinge beim Namen nennen. Merkel hat bereits angekündigt, dass sie auf den Vertrauensverlust durch den Dieselskandal eingehen wird. Die Politik will auf dieser IAA nicht nur über neue Superlative sprechen, sondern vor allem über die Herausforderungen, vor denen die Branche steht. Merkel hat die Tonlage vorgegeben: Sie spricht die Fehler der Industrie an und sagt, dass sie tief enttäuscht über das Verhalten der Industrie ist. Gleichzeitig betont sie, wie wichtig die Branche mit ihren mehr als 800 000 Mitarbeitern für die deutsche Volkswirtschaft ist. Die Kanzlerin ist inzwischen auch vorsichtiger mit Äußerungen zum Verbrennungsmotor. Anfang August hatte sie zum Ärger der Wirtschaft vom Ende des Verbrennungsmotors gesprochen. Mittlerweile fügt sie hinzu, dass dies eine Frage von vielen Jahrzehnten sei.

Interessant wird, welche Hersteller Merkel besucht

Besonderes Interesse ruft in diesem Jahr hervor, welche Hersteller die Regierungschefin besucht. Es ist davon auszugehen, dass sie auch am Stand von Volkswagen vorbeischauen wird. Wegen des Abgasbetrugs von VW steht der Wolfsburger Konzern besonders in der Kritik. Die Kanzlerin werde keinen Bogen um ein Unternehmen machen, kündigte Regierungssprecher Steffen Seibert an.

Der Dieselskandal ändert nichts daran, dass auch dieses Mal wieder viele Spitzenpolitiker zur IAA fahren. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) reist an, um auf einer Veranstaltung mit Autobossen und Gewerkschaftern über das Auto der Zukunft zu reden. Auch Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) fährt natürlich nach Frankfurt. Er trifft sich auf der IAA mit den Kollegen aus Frankreich und Luxemburg, um ein gemeinsames Pilotprojekt zum automatisierten Fahren zu verkünden. Mit dabei ist auch Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD). Auffallend ist, dass Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) nicht erscheinen wird. Dass sie fernbleibt, kann durchaus als Distanzierung zur Autoindustrie verstanden werden.

Grüne haben Berührungsängste verloren

Doch selbst Grünen-Politiker haben Berührungsängste längst abgelegt. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wird sich einen halben Tag Zeit nehmen, um sich über die neuesten Trends bei Herstellern und Zulieferern zu informieren. Es ist vorgesehen, dass Kretschmann beim Messerundgang am Daimler-Stand von Vorstandschef Dieter Zetsche empfangen wird. Danach geht es zu ZF Friedrichshafen, Audi, Mahle, Elring Klinger und Bosch. Auffallend ist, dass Kretschmann dem Stuttgarter Autobauer Porsche keinen Besuch abstattet. Dass dies daran liegt, dass der Regierungschef wegen der Dieselmanipulationen VW-Marken meidet, hat das Staatsministerium bestritten. Kretschmann wolle sich über das emissionsfreie Fahren informieren, hieß es. Die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut, die den Ministerpräsidenten begleitet, besucht Porsche allein.

Kretschmann ist nicht der einzige Grünen-Politiker auf der IAA. Auch der Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir wird auftreten. Der Parteivorsitzende plant eine Aktion zur Abgasproblematik. In den vergangenen Jahren waren die Visiten der Politik Routine. In diesem Jahr dürfte die IAA auch ein Gradmesser für das Verhältnis von Politik und Industrie sein. Kurz vor der Wahl ist das ein Balanceakt.