Auch Pizza wird zunehmend im Netz bestellt. Foto:  

Internet-Bestellplattformen locken immer mehr Restaurantbetreiber auf ihre Seiten.

Stuttgart – Pizza, Sushi und Snacks werden zunehmend im Netz bestellt. Die Vermittlung übernehmen neu gegründete Firmen. Ausgerüstet mit dem Kapital von Investoren, versuchen sie die Konkurrenz aus dem Markt zu drängen. -

Seit einem Jahr besitzt Ghoulam Abbas einen großen Imbiss in einem Stuttgarter Industriegebiet. Die Mitarbeiter der örtlichen Firmen essen mittags Pizzen und indische Gerichte, doch abends betritt kaum ein Kunde sein Geschäft. „Die Einnahmen reichen kaum, um Miete und Strom zu bezahlen“, sagt Abbas. Seit einigen Wochen bietet er deshalb die Gerichte auch über das Internet an. Abbas hat sich bei pizza.de, Lieferheld und Lieferando registriert – das sind Bestellplattformen, die zwischen Restaurants und Verbrauchern vermitteln.

Das Prinzip: Wer Hunger hat, tippt auf der Internetseite die Postleitzahl seines Wohnorts ein und erhält eine Liste von Restaurants mit Lieferdiensten. Mit einem Klick gelangt er zur Speisekarte, mit ein paar weiteren kann er sich das Essen nach Hause bringen lassen. Vom Umsatz behalten die Bestellplattformen acht bis zehn Prozent. Das lohnt sich vor allem für Restaurants, die für Laufkundschaft schwer zu erreichen sind.

15 bis 20 Prozent der Kunden ordern bereits online bei Restaurants

Aber auch zentral gelegene Italiener, Chinesen und Döner-Imbisse nutzen zunehmend die neuen Vertriebswege: Denn das Geschäft mit den Lieferdiensten wächst derzeit nicht nur deutlich schneller als der Markt der Schnellgastronomie; die Bestellungen über das Internet nehmen auch am stärksten zu. 15 bis 20 Prozent der Kunden ordern bereits online. In den USA ist die Zahl laut einer aktuellen Studie binnen fünf Jahren von elf auf 32 Prozent gestiegen. Und in Holland kaufe bereits jeder zweite Kunde eines Lieferdienstes sein Gericht via Internet. Das sagt zumindest Jitse Groen, der dort vor zwölf Jahren die Bestellplattform Takeaway.com gründete. Vom Geschäftsmodell ist er restlos überzeugt: „Irgendwann werden 90 bis 95 Prozent der Lieferdienst-Kunden ihr Essen im Netz bestellen.“

2007 gründete Groen den deutschen Ableger Lieferservice.de. 4000 Restaurants sind ihm angeschlossen, davon 100 in Stuttgart. In zwei Jahren will Groen bereits mit insgesamt 12.000 bis 15.000 kooperieren. „Wir arbeiten vor allem mit kleineren Restaurants zusammen“, sagt er. „Mit uns können sie ein großes Geschäft machen.“

Doch ob er das Ziel erreicht, ist fraglich. Denn in der Branche liefern sich bereits pizza.de, Lieferando und Lieferheld einen Kampf um die Kunden. Sie alle wickeln mehr Bestellungen online ab, bei Lieferando.de sind bereits 6300 Restaurants angeschlossen. Und doch hat Geschäftsführer Jörg Gerbig großen Respekt vor der Konkurrenz. „Bestellt ein Kunde auf einer Plattform, dann bleibt er ihr meist treu. Das kenne ich von mir selbst. Wenn ich einmal meine Daten hinterlegt habe, dann nutze ich den Dienst immer wieder, weil es einfacher ist.“

Konkurrenten sind sich einig, dass nur zwei oder drei Anbieter am Ende des Wettkampfs überleben

Alle Anbieter versuchen deshalb, sich mit möglichst simplen und zugleich komfortablen Plattformen zu übertrumpfen. Sie bieten zum Beispiel Apps für Mobiltelefone an. Damit könnte ein Kunde sich die Pizza auch auf seine Picknickdecke im Stuttgarter Schlossgarten liefern lassen. Außerdem haben sie die Ausgaben für Werbung hochgefahren. Externe Geldgeber sind in die Unternehmen eingestiegen und heizen den Wettbewerb weiter an. Rund 16 Millionen Euro sackte Lieferando kürzlich von der australischen Investmentbank Macquarie ein. Lieferheld richtet sich zurzeit unter anderem mit der Unterstützung von Tengelmann gar europaweit aus: Inzwischen gehören auch Österreich, Polen, Schweden und Finnland zum hauseigenen Ableger Delivery Hero. Die Konkurrenten sind sich deshalb einig, dass am Ende nur zwei oder drei von ihnen den Wettkampf überleben werden. Der Langsamste könnte ihn verlieren. Noch wächst der Bringdienste-Markt, der laut einer Studie auf einen Umsatz von 4,4 Milliarden Euro geschätzt wird. Doch schon bald könnte er gesättigt sein. Deshalb versuchen die Bringdienste, möglichst schnell Kunden für ihre Plattformen zu begeistern. Der Aufwand, einen Pizza- oder Sushi-Liebhaber von der Konkurrenz-Webseite zu locken, gilt als zu hoch. Deshalb sind derzeit vor allem die 20- bis 35-Jährigen im Visier – also die Generation, die mit dem Internet groß geworden ist und am meisten bestellt, sagt Jitse Groen. Familien als Online-Besteller zu gewinnen sei bereits ein Kunststück.

Aber auch in der Offline-Welt ist die Konkurrenz noch immer stark. Wer Flyer in die Briefkästen wirft, hat eine beachtliche Resonanz. Oder wer dem Kunden einfach auf einem Abrisszettel eine Telefonnummer nennt – und damit das persönliche Versprechen am Ende der Leitung, dass bald jemand liefern wird. Deshalb verteilt auch Imbiss-Besitzer Abbas weiterhin fleißig Werbezettel mit seiner Nummer darauf. Denn die Mittlerdienste im Internet haben ihm bisher nur eine Handvoll Aufträge gebracht. Einen Fahrer kann er sich noch nicht leisten. Und würde ihn ein Auftrag wie jetzt, zur Mittagszeit, erreichen – er müsste ihn wohl wieder absagen. Dennoch ist Abbas zuversichtlich. „Jeder neue Weg braucht seine Zeit“, sagt er. Dann hievt er das indische Tagesgericht auf den nächsten Kunden-Teller.