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Verkäufer bei Metzger und Bäcker, die Handschuhe tragen, sehen hygienisch aus. Stimmt das aber auch?

Ingolstadt - Nicht nur beim Zahnarzt, auch bei vielen Bäckern und Metzgern trägt das Personal sie konsequent: die dünnen, weißen Handschuhe. „Der Gebrauch nimmt stark zu“, bestätigt Wolfgang Lutz von der Geschäftsleitung des Deutschen Fleischer-Verbands. Die Betriebe wollten damit die Kunden zufriedenstellen: „Kunden lieben die Handschuhe. Sie verbinden sie mit Reinlichkeit, wie sie sie vom Arzt kennen.“

Doch die Kunden irren sich: Die Handschuhe sehen sauber aus, mehr aber auch nicht. „Das Tragen von Einmalhandschuhen bei Tätigkeiten an Frischetheken bietet keinen hygienischen Vorteil“, lautet das ernüchternde Fazit eines Forschungsprojekts des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA).

Ob ein Verkäufer beim Hantieren mit Wurst oder Käse Handschuhe trägt, spielt den Untersuchungen zufolge keine Rolle: Nach fünf Minuten finden sich an Händen, Handschuhen und Geräten etwa gleich viele Bakterien. „Nur wenn man die Handschuhe bei jedem Kunden wechselt und jeden Tag eine frische Packung anbricht, sind sie hygienisch“, sagt Studienleiterin Annette Kolk.

Hygienischer wären Handschuhe nur, wenn der Verkäufer sie ständig wechselt

Auch Alexander Friedrich, Professor für Mikrobiologie an der Universität Groningen in den Niederlanden sagt: „Wenn man sie nicht richtig anwendet, ist es sogar gefährlicher, Einmalhandschuhe zu tragen als sie wegzulassen.“ Denn eigentlich müsste ein Verkäufer bei jedem Kontakt mit Fleisch frische Handschuhe anziehen und sie sofort wieder wechseln. „Das schafft er nicht“, sagt Friedrich. In der falschen Annahme, durch die Handschuhe genug zur Sauberkeit beizutragen, läuft ein Verkäufer Gefahr, bei der Hygiene nachlässig zu werden.

Deshalb betont Lutz vom Fleischer-Verband: „Saubere Hände sind besser als Handschuhe.“ Da außerdem die Haut in dem Kunststoff nicht atmen könne und deshalb leide, empfehle der Verband, „die Finger von den Handschuhen zu lassen“.

Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hält nicht viel von der Handschuhmode: „Verkäufer sollten besser darauf achten, die Ware nicht direkt anzufassen, sondern Gabeln oder Zangen benutzen“, sagt BfR-Sprecher Jürgen Thier-Kundke. Andernfalls könnten Keime etwa vom Käse auf den Schinken übertragen werden: „So eine Verunreinigung braucht nicht gesundheitsgefährdend zu sein. Aber sie kann sich negativ auf die Haltbarkeit der Ware auswirken.“

Kaum ein Kunde wird wegen schlechter Supermarkt-Hygiene krank

Das Risiko für den Kunden, wegen schlechter Hygiene im Supermarkt tatsächlich krank zu werden, sei „sehr gering“, sagt Peggy Braun, Professorin für Lebensmittelhygiene an der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Die meisten Keime, die über Lebensmittelgeschäfte verbreitet werden, sind für den Menschen unbedenklich oder werden beim Kochen zerstört.

Cervelatwurst besonders belastet

Außerdem erklärt der Mikrobiologe Friedrich: „Es kommt nicht darauf an, um wie viele, sondern um welche Keime es sich handelt.“ Zu den gefährlichen Erregern, die über die Ladentheke wandern könnten, gehören Salmonellen, Campylobacter und Noroviren: Sie alle können Magen-Darm-Erkrankungen auslösen.

Die Mikroorganismen, die Kolk und ihr Team an Händen und Geräten fanden, stammten von der Ware selbst. Besonders stark besiedelt waren Putenfleisch und Cervelatwurst, besonders wenig die Schinkenwurst. Braun erklärt: „Das liegt unter anderem an der Art der Verarbeitung.“ So sei die Belastung etwa bei Brüh- oder Kochwürsten, die bei hohen Temperaturen hergestellt würden, relativ gering. An rohem Fleisch fänden sich dagegen jede Menge Keime. „Gerade bei Geflügel muss man wegen Salmonellen sehr aufpassen.“

Beim Hantieren mit der Ware sammeln sich insbesondere auf den Arbeitsflächen und Schneidbrettern Unmengen von Bakterien an. Die Bretter sind der IFA-Untersuchung zufolge sogar ein „Bakterienumschlagplatz“. Durch Folien zum Unterlegen lässt sich die Gefahr, dass die Keime weiter verbreitet werden, aber verringern.

Geld und Lebensmittel gehören getrennt

Oft kassieren Verkäufer bei Metzger oder Bäcker zwischendurch ab. Ekelt man sich zu Recht, wenn sie mit der Geldhand das nächste Brot einpacken? Das ist umstritten. Kolk zufolge wird Geld als mögliche Krankheitsquelle völlig überschätzt.

„Geld ist normalerweise trocken, so dass Bakterien schlecht anhaften können.“ In ihrer Studie konnte sie nicht viel mehr Keime nachweisen, wenn die Versuchsteilnehmer mit Geld hantiert hatten. Es sei also kaum ein Problem, wenn die Verkäufer zwischendurch kassierten, meint die Mikrobiologin.

Darauf reagiert Friedrich mit Unverständnis: „Geld und Lebensmittel muss man trennen!“ Wenn sich an einer Münze auch nur ein paar gefährliche Keime – etwa Noroviren – fänden, könnten sie leicht auf die Ware und andere Kunden übertragen werden. Ähnlich sieht das Peggy Braun: „Es ist hygienischer, wenn es beim Metzger oder im Fischgeschäft eine getrennte Kasse gibt.“

Bevor Kunden sich über unhygienisch arbeitende Verkäufer aufregen, sollten sie jedoch zunächst ihr eigenes Einkaufs-Verhalten hinterfragen. Zum Beispiel, wenn sie im Supermarkt verschiedenes Obst und Gemüse anfassen und dann wieder zurücklegen. Braun: „In Italien muss man sich einen Handschuh nehmen, bevor man sich beim Obst bedient. Das müsste auch in Deutschland eingeführt werden.“