Betroffenheit über das Schicksal des NS-Opfers Else Josenhans: Innenminister Reinold Gall (links) und Staatssekretär Jürgen Walter Foto: Peter-Michael Petsch

Im Lern- und Gedenkort Hotel Silber sollen Polizisten noch besser aus- und fortgebildet werden. In der ehemaligen Gestapozentrale werden sie lernen, was die Polizei im nationalsozialistischen Unrechtsstaat falsch machte – und wann man Demokratie und Minderheiten schützen muss.

Stuttgart - Im Lern- und Gedenkort Hotel Silber sollen Polizisten noch besser aus- und fortgebildet werden. In der ehemaligen Gestapozentrale werden sie lernen, was die Polizei im nationalsozialistischen Unrechtsstaat falsch machte – und wann man Demokratie und Minderheiten schützen muss.

Vier weiße Rosen für Else Josenhans, aufs Trottoir gelegt vor dem ehemaligen Hotel Silber: So haben am Montagmittag vier Männer die Stuttgarter Jüdin geehrt, die in der Nacht zum 11. April 1945 in der ehemaligen Zentrale der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) von einem sadistischen Wachmann erhängt wurde – nur weil sie Jüdin war. Zu einer Stunde, da die alliierten Befreier schon vor Stuttgart standen.

Die Männer mit den Blumen, das waren Innenminister Reinhold Gall (SPD) und Vize-Landespolizeipräsident Dietrich Moser von Filseck sowie Staatssekretär Jürgen Walter (Grüne) vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst und Thomas Schnabel vom Haus der Geschichte. Zuvor hatten sie vereinbart, dass Polizei und Haus der Geschichte „intensiver und nachhaltiger zusammenarbeiten“. Der Lern- und Gedenkort soll helfen, die Polizisten in der Aus- und Fortbildung über die Rolle der Polizei im Unrechtsstaat aufzuklären und sie sensibler zu machen für den Schutz von Demokratie und Minderheiten. Die genauen Aktivitäten klärt nun eine Arbeitsgruppe.

Die Brutalität des Wachmanns Anton Dehm, als er Else Josenhans ermordete, und seine ungerührte Aussage im Jahr 1946 sind nur zwei unfassbare Details, die sich mit dem Gestapo-Gebäude verbinden. „Wir müssen aus dieser Geschichte lernen und uns der Verantwortung für die Vergangenheit stellen“, sagte Gall, aber auch der Verantwortung für Gegenwart und Zukunft. Die Polizisten wüssten beim Ablegen des Amtseids auch jetzt schon, „dass man sich nicht hinter anderen verstecken kann“ und dass sie notfalls Anweisungen widerstehen müssen, meinte Gall. Aber man wolle das vertiefen. Es ist auch ein Signal an die Öffentlichkeit. „Die Erkenntnisse aus der Mordserie der NSU haben gezeigt, dass die besondere Sensibilität im Umgang mit Minderheiten fortlaufend sein muss“, sagte Gall.

Wie Polizisten sich im Hotel Silber 1933 bis 1945 zu Komplizen der Nazis machten, wird jetzt wohl erst im zweiten Quartal 2017 am Tatort nachzuvollziehen sein. Das Team vom Haus der Geschichte und von der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber wollen außerdem aufzeigen, „dass die Nazis nicht 1933 vom Himmel fielen und 1945 in der Hölle verschwanden“ (Schnabel). Wie es kam, dass Polizisten wie Angehörige anderer Berufe in der Weimarer Republik zu Nazikomplizen wurden. Und dass die Nazigesinnung 1945 nicht schlagartig weg war.

Rudolf Klaiber, Polizeipräsident von 1921 bis 1938, ist eine Figur, um die es geht. Die Initiative betrachtet ihn in Anlehnung an den Historiker Martin Ulmer als Förderer des Nationalsozialismus schon vor 1933, sagte der Vorsitzende Harald Stingele auf Nachfrage. Schnabel habe eine etwas andere Bewertung. Darum wolle man nun unterschiedliche Materialien präsentieren und unterschiedliche Bewertungen zulassen. Im Moment sehe es so aus, dass das inhaltliche Konzept nach den vereinbarten Änderungen Zustimmung bei allen finde, sagte Stingele.

In puncto Trägerschaft laufe noch die Feinarbeit, sagte Staatssekretär Walter. Nach den Sommerferien werde man Vollzug melden. Die Finanzierung ist unstrittig: Die Stadt übernimmt pro Jahr 250 000 Euro für den reinen Betrieb, das Land ebenso viel – und obendrein 250 000 Euro Mietzahlungen an die Landesstiftung. Weil das zweite Obergeschoss aus Kostengründen nicht einbezogen wird, habe man das ursprüngliche Konzept geändert, sagte Schnabel. Käme es doch noch hinzu, müsse man nicht alles ändern. Gerungen wird um das Statut, um Sitze im Verwaltungsrat und damit um die Mitbestimmung der Initiative bei der künftigen Weiterentwicklung des Konzepts. Stingele dazu: „Es geht darum, ob wir substanziell beteiligt sind oder quasi wie im Kindergarten zum Kuchenbacken eingeladen sind.“