Hallo, hier bin ich wieder: Auf der B 10 bei Zuffenhausen winkt der Motorradfahrer, hier bei 120 km/h . Die auffälligen Merkmale an seiner Maschine haben wir unkenntlich gemacht. Foto: StN

Bei stationären Tempokontrollen glauben viele Motorradfahrer einen Freifahrschein zu haben: Ohne Kennzeichen vorne bleiben sie meist unerkannt. Ein dreister Zweiradpilot war sich seiner Sache jedoch zu sicher.

Stuttgart - Schon wieder der! Gewöhnlich sind geblitzte Motorradfahrer an stationären Tempoanlagen kaum auseinanderzuhalten – und fallen deshalb auch nicht immer als Mehrfachsünder auf. Doch nicht dieser hier. Offenbar ein Hobby-Rennfahrer, der eine Art Startnummer auf dem Windschild seiner Maschine kleben hat. Zwei Aufkleber mit zwei Ziffern, darunter ein Aufkleber mit einem Buchstaben.

„Den konnte man wirklich nicht übersehen“, sagt Joachim Elser von der städtischen Verkehrsüberwachung im Amt für öffentliche Ordnung, „und er hatte es wohl auch darauf angelegt.“ Nach dem Pragsattel stadteinwärts in der Heilbronner Straße – mit 103 km/h statt mit Tempo 50. Oder auf der Bundesstraße 10 auf Höhe des Bahnhofs Zuffenhausen – mit 144 km/h statt den erlaubten 80 Kilometer pro Stunde. Dort fuhr der dreiste Motorradfahrer mit erhobenen Händen über den imaginären Zielstrich – mit freundlichem Gruß von der Kawasaki.

Elf Fälle in drei Wochen – und immer dieser Kawasaki-600-Fahrer. Seit Jahren glauben viele Motorradfahrer, einen Freifahrschein an stationären Blitzern zu haben. Ohne vorderes Kennzeichen bleiben sie zumeist unerkannt. In einer Tempo-30-Zone in Zuffenhausen beispielsweise passierte vor einiger Zeit ein Motorradfahrer eine mobile Kontrolle provozierend auf dem Hinterrad – mit 81 km/h. Doch solche Grüße lassen sich die Verkehrsüberwacher nicht tatenlos gefallen. „Wir haben auch unsere Möglichkeiten“, sagt Elser.

Maschine zwischenzeitlich für den Winterschlaf zerlegt

Die Ermittler der Stuttgarter Verkehrspolizei hatten zwar kein Fahrzeugkennzeichen, aber doch einige Spuren und Verhaltensauffälligkeiten. So wurde der freche Raser immer wieder an denselben Anlagen zwischen Zuffenhausen und der Innenstadt geblitzt. „Vieles sprach dafür, dass er aus dem Kreis Ludwigsburg kommt und über die B 10 nach Stuttgart pendelt“, sagt Polizeisprecherin Daniela Waldenmaier. Dass er keine allzu lange Fahrtstrecke zurückzulegen hatte, zeigte sich an seiner Kleidung: Nur Jeans und Turnschuhe – und das auch bei kalten Morgentemperaturen. Die Kleidung samt Kapuzenshirt deutete auch darauf hin, dass es sich um einen relativ jungen Fahrer handelte. Mit diesem Raster wurde über das Kraftfahrtbundesamt der Kreis der verdächtigen Kawasaki-600-Besitzer im Raum Ludwigsburg eingegrenzt. Bis der 19-Jährige aufgespürt wurde. Seine Maschine hat er zwischenzeitlich für den Winterschlaf zerlegt – doch der auffällige Windschutz mit der Rennnummer entlarvte ihn sofort. Laut Polizeisprecherin Waldenmaier räumte der junge Mann die Verstöße ein – machte aber keine Angaben zu seinen Motiven.

Ihm droht nun mächtig Ärger. Nicht nur, weil er 30 Punkte und einen vierstelligen Betrag an Bußgeldern eingefahren hat. Es geht auch um den Verdacht des Fahrens ohne Fahrerlaubnis – und das wäre eine Straftat. Denn ein 19-Jähriger darf solche Maschinen in der Regel nur mit einer Drosselung fahren.

Vor vier Jahren ist das einem anderen 19-Jährigen aus Ludwigsburg schlecht bekommen. Der hatte sich mit einer Kawasaki Ninja gleich 48-mal an einer Anlage blitzen lassen – mit bis zu 218 km/h. Als das sogenannte rasende Phantom nach Jahren ermittelt wurde, waren die Ordnungswidrigkeiten zwar schon verjährt. Weil er die Drosselung entfernt und damit ohne Fahrerlaubnis unterwegs war, wurde der Sünder vom Amtsgericht zu sechs Monaten Haft auf Bewährung, 500 Euro Bußgeld und einer einjährigen Führerscheinsperre verurteilt.

Joachim Elser vom Stuttgarter Ordnungsamt hofft jedenfalls, dass bei dem Fall nicht nur der erwischte Sünder etwas fürs Leben gelernt hat: „Der freundliche Gruß in die Kamera wird von uns nicht immer freundlich erwidert.“