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Hörgeräteakustiker wird zum Beruf mit Zukunft. Technik, Handwerk und der Umgang mit Menschen zeichnet ihn aus

Stuttgart - Technik, Handwerk und der Umgang mit Menschen, all das kommt zusammen - diese Vielseitigkeit ist toll." Marie-Mercedes Maier schwärmt von ihrem Arbeitsalltag. Die 29-Jährige ist Hörgeräteakustikerin, ein Beruf, den sie ursprünglich nicht auf dem Plan hatte. "Ohne Bezug dazu denkt man nicht daran", sagt sie. Nach dem Abitur hat Maier bei der Arbeitsagentur vom Beruf des Hörgeräteakustikers erfahren. Es sei sehr erfüllend, Menschen zu helfen, wieder besser zu verstehen und mit anderen zu kommunizieren. "Man betreut den Kunden vom ersten Hörtest bis zur letzten Anpassung. Dabei baut sich ein Vertrauensverhältnis auf, für mich ist das eine Begleitung des Kunden."

Auch nach gelungener Anpassung sehen Hörgeräteakustiker ihre Kunden in der Regel pro Vierteljahr einmal: Sie sind für die Kontrolle und Wartung der Hörhilfe zuständig. Maier, die nach einer dreijährigen Lehre ihre Gesellenprüfung bestanden hat, will bald wieder die Schulbank für die Meisterprüfung drücken.

Ihr Chef Marc Osswald hat freilich längst den Hörgeräteakustiker-Meister in der Tasche und dann den Diplombetriebswirt an der Berufsakademie in Stuttgart angehängt: Als Geschäftsführer des Hörspezialisten Iffland ist er für 48 Filialen in Baden-Württemberg und Bayern zuständig. "Mein Großvater hat unser Geschäft gegründet, meine Eltern haben es ausgebaut, für mich war klar, dass ich in ihre Fußstapfen treten werde", so der 33-Jährige. "Aber das ist nicht der normale Weg in unsere Branche." Die meisten Hörgeräteakustiker stoßen erst wie Marie-Mercedes Maier über eine Berufsberatung auf diesen klassischen Handwerksberuf - oder eben weil Freunde und Familienmitglieder Hörprobleme haben.

Azubimangel bei den Hörgeräteakustikern

Bundesweit gibt es etwa 3900 Hörgeräteakustiker-Fachbetriebe mit 10.000 Beschäftigten und 1800 Auszubildenden. Das ergibt eine Ausbildungsquote, die mit 20 Prozent bereits jetzt mehr als doppelt so hoch ist wie der Bundesdurchschnitt anderer Berufszweige. Und es könnten noch weit mehr ausgebildet werden: Bei den Hörgeräteakustikern in Deutschland herrscht Azubimangel. Die Branche ist im Aufwind, da immer mehr Menschen, gerade auch jüngere von Schwerhörigkeit betroffen sind, Tendenz steigend. Auch bei Iffland würde man gerne mehr junge Menschen zum Hörgeräteakustiker ausbilden, derzeit hat der Hörspezialist fünf bis fünfzehn Azubis pro Jahr. "In der Branche werden händeringend motivierte Auszubildende gesucht", betont Osswald. Dabei bietet der Beruf beste Zukunftschancen. Laut Bundesinnung der Hörgeräteakustiker herrscht in der Branche nahezu Vollbeschäftigung.

"Spannend für mich war von jeher und ist immer noch das Berufsbild, bei dem verschiedene Fachbereiche zusammentreffen. Deshalb sollten die angehenden Azubis schon einen Realschulabschluss vorweisen", so der Iffland-Chef. So geht es in der dualen Ausbildung, bestehend aus Lehre und Berufsschule, um physikalische, vor allem akustische Phänomene, aber auch um medizinische und elektrotechnische. Man erfährt, wie der Schall funktioniert, das Ohr aufgebaut ist und die Schallwellen dort aufgenommen werden, von hygienischen Standards als Berufspflicht ganz abgesehen. "Aber man lernt auch, wie ein Hörgerät aufgebaut ist, nimmt Ohrabdrücke und macht Otoplastiken, also dem Ohr angepasste Formstücke. Man fertigt diese zum Teil selbst im Labor an, lernt Geräte zu justieren und reparieren." Schließlich muss die Form, die das Hörgerät letztlich mit der Ohrmuschel verbindet, dem Ohr des Trägers optimal angepasst sein, damit die Hörhilfe gut funktioniert und nicht stört.

In den vergangenen Jahren wurden freilich in der Hörgeräteakustik Computer und Elektronik immer wichtiger. Das erste digitale Hörgerät ist laut Osswald während seiner Ausbildung 1996 auf den Markt gekommen. Seitdem sei die technische Entwicklung enorm gewesen, schwärmt er und demonstriert ein zierliches metallicrotes nierenförmiges Gerät, in dem zwei Mikrofone untergebracht sind. "Die Kunden haben oft falsche Vorstellung von Hörgeräten. Es gibt sie in vielen Farben, weil sie immer kleiner und feiner werden, fallen sie nicht auf, die Technik läuft nur noch digital ab."

Schwerhörige ziehen sich immer mehr in die Isolation zurück

Hörtests in den Kabinen laufen entsprechend über den Computer ab: der mit Kopfhörer bestückte Kunde sagt, was er hört, der Hörgeräteakustiker misst am Bildschirm die Frequenzen. Ganz wichtig dabei sei auch der menschliche Faktor und die Psychoakustik, erklärt Osswald, jeder empfinde Schall anders und nehme Töne individuell war. Schwerhörigkeit ist wie ein Fingerabdruck: individuell. Wenn sie zunimmt, hört der Betroffene nicht etwa einfach immer leiser, sondern es ändert sich die Wahrnehmung in ganz bestimmten Frequenzen des Hörspektrums. Problematisch wird es vor allem dann, wenn die Sprache nicht mehr richtig verstanden wird - ein Grund, warum sich vor allem ältere Schwerhörige immer mehr in die Isolation zurückziehen.

"Ein Hörschaden kann entstehen durch ständige laute Beschallung über einen lauten plötzlichen Knall bis hin zu einem Tumor, das muss natürlich von einem Mediziner abgeklärt werden", so Osswald. "Der Hörgeräteakustiker muss sich dessen bewusst sein, eventuell einen Kunden auch zum Arzt schicken." Nicht zuletzt deshalb ist in dem technischen Beruf neben handwerklichen Fertigkeiten viel Sensibilität gefragt, zumal Kunden oft Jahre mit dem Gedanken schwanger gehen, ob sie eine Hörhilfe tragen sollen. Gerade Jugendliche seien schwer zu überzeugen, weiß Osswald. "Ich hatte schon Teenager, die schlechter hörten als mancher Achtzigjährige und aus den Messkabinen stürmten. Damit muss man umgehen lernen, Fingerspitzengefühl und Diskretion sind bei uns ein Muss."

Für Günter Steinmeier, Vorsitzender des Fachverbands Deutscher Hörgeräte-Akustiker e. V. (FDH), sollten Hörgeräteakustiker Umgangsformen "wie ein Juwelier" haben. Während das Verhalten vor allem "on the job", also beim ausbildenden Betrieb in der Praxis geübt wird, wird alle Theorie mehrere Wochen im Jahr als Blockunterricht in Lübeck gelehrt: Dort befindet sich die Akademie für Hörgeräte-Akustik. Sie ist die zentrale deutsche Bildungseinrichtung für Hörgeräteakustiker. Dort kann man sich auch zum Meister weiterqualifizieren oder verschiedene Zusatzausbildungen absolvieren, etwa in Tinnitustherapie, zum Audiotherapeuten, Implantspezialisten oder zum auf Babys und Kindern spezialisierten Pädakustiker. Wer den Gesellenbrief und eine Fachhochschulreife in der Tasche hat, kann zudem in Lübeck, an der FH Aalen oder der FH Oldenburg ein Studium Hörakustik mit Bachelorabschluss abschließen.

Peter Eberhardt hat die Zusatzqualifikation Pädakustik erworben, dabei in der Klinik praktische Erfahrungen gesammelt. "Während wir bei Erwachsenen die Sprachfähigkeit durch ein Hörgerät revitalisieren, müssen wir uns bei Kindern erst einmal um den Sprachaufbau kümmern." Er begrüßt, dass es auch in Baden-Württemberg beim Neugeborenen-Screening einen Hörtest gibt. Oft würden hörgeschädigte Kinder erst im dritten Lebensjahr behandelt, was eine verzögerte Sprachentwicklung zur Folge hat, weil sich die Nervenbahnen aufgrund fehlender Tonreize nicht weiterentwickeln können. Eberhardt: "Kindern die Chance zu geben, richtig sprechen zu lernen, ist eine wunderbare Aufgabe."

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