Der Fahrradverleih Call a Bike ist seit 2007 stark erweitert worden – am 28. Oktober 2011 kommt auch diese Station am Marienplatz hinzu. Foto: Leif Piechowski

Stuttgart ohne Leihfahrräder? Im April 2013 könnte das Wirklichkeit werden und das Fahrradfahren im Stadtgebiet für viele Monate zurückwerfen. Die Bahn-Tochter DB Rent, die das Verleihsystem Call a Bike betreibt, droht mit dem Ausstieg. Sie will mehr Geld.

Stuttgart - Die Stadträte im Gemeinderatsausschuss für Umwelt und Technik staunten am Dienstag Bauklötzchen. Auch die Grünen, die Aufschluss über den Stand der Dinge beim Fahrradverleih begehrt hatten. Dass viel Sand im Getriebe ist bei der Zusammenarbeit zwischen der Bahn-Tochter DB Rent und der Stadtverwaltung, hatten die Stadträte geahnt – aber nicht, dass Reinhard Schlossnikel von der OB-Stabsstelle und DB-Rent-Chef Rolf Lübke vor ihren Augen streiten würden und dass das Fahrradverleihsystem auf der Kippe steht.

Mehr als ein Jahr verhandle man jetzt schon, klagte Lübke, und die Verwaltung habe sich nicht bewegt. Der in Stuttgart wohnende Chef der Bahn-Tochter will endlich mehr Geld sehen. Bisher erhält sein Unternehmen von der Stadt netto 110.000 Euro pro Jahr für Call a Bike. Beim Verleihen der 418 herkömmlichen Fahrräder habe man darüber hinaus Mehrkosten von 230.000 Euro, sagte Lübke. Bei den seit Jahresfrist eingesetzten Fahrrädern mit elektrischer Unterstützung, Pedelecs genannt, gebe es Kosten von 150.000 Euro – und keinen Zuschuss. Seit man 2006 den Vertrag für Call a Bike abgeschlossen habe, sei das System auf Wunsch der Stadt massiv erweitert worden.

In Stuttgart komme das Leihrad einfach nicht an, klagte Lübke. Kassel sei 2012 gestartet und verzeichne im Schnitt schon 58 Fahrten pro Monat, Stuttgart nur 34. Hamburg habe große Zuwächse und mittlerweile 147 Fahrten pro Monat. Dort sei freilich auch allein schon der Werbeetat mit 100 000 Euro fast so hoch wie in Stuttgart das Gesamtbudget. Lübke drohte mit der Kündigung des Vertrags über das Verleihsystem, das 2007 versuchsweise eingeführt wurde. Die Kündigungsfrist wurde verschiedentlich angepasst. Jetzt habe man einvernehmlich den 31. März vereinbart. Wenn man sich nicht einige, würden die Fahrräder umgehend eingesammelt, sagte Lübke im Rathaus. Nur am Bahnhof wolle man eine Station für Kunden der Bahn weiterbetreiben.

Stadträte wollen keine Schiedsrichter sein

Noch nicht einmal über die Fakten sind sich Lübke und Schlossnikel einig. Konkret verhandelt werde erst seit etwa acht Wochen, sagte OB Schusters Mitarbeiter. Das Vergabe- und Beihilferecht setze der Stadt Grenzen, was das Entgegenkommen für DB Rent angehe. Außerdem habe man Zahlen vom Bahn-Konzern angefordert, auf die man noch immer warte. Schlossnikel monierte auch, dass vor einem Jahr zusätzlich zu den gut 400 normalen Rädern noch 100 Pedelecs an Call-a-Bike-Stationen platziert werden sollten. 30 würden noch fehlen.

Lübke entgegnete, es seien „bis zu 100 Pedelecs“ vereinbart worden. Diese seien alle vorhanden, aber nicht ständig alle im Einsatz. Ihm geht es in erster Linie ums Normalgeschäft. Die Pedelecs, vom Bund mit gut einer Million Euro gefördert, sind für Lübke „ein anderes Ding“. Sie könne man haben – oder auch nicht.

Schiedsrichter wollten die Stadträte nicht sein. Im Januar erwarten sie aber einen neuen Bericht. Die Beteiligten seien dabei, das Verleihsystem gegen die Wand zu fahren, kritisierte Roswitha Blind (SPD). Günter Stübel (FDP) sprach von einer Katastrophe. Wenn die Leihfahrräder für ein Jahr ausfallen würden, wäre das ein nachhaltiger Rückschlag fürs Fahrradfahren. Die Verwaltung hätte vorsorgen müssen, dass bei einem Ausstieg der DB Rent keine Zwangspause entsteht, meinte Jochen Stopper (Grüne).

Unserer Zeitung sagte Lübke am Abend aber, er rechne doch noch mit einer Einigung. Da die Stadt auf weniger Autoverkehr und ein integriertes Mobilitätskonzept setze, könne sie das Fahrradverleih-System nicht pausieren lassen.