Das Pumpspeicherprojekt in Atdorf kommt niht voran Foto: dpa

„Stromspeicher bauen!“, lautete noch bis vor kurzem das Credo der Politik. Da sich das derzeit nicht rentiert, köcheln Projekte wie Atdorf auf Sparflamme. Kein einziger Neubau ist beschlossen, die Energiebranche wartet auf Anreize.

„Stromspeicher bauen!“, lautete noch bis vor kurzem das Credo der Politik. Da sich das derzeit nicht rentiert, köcheln Projekte wie Atdorf auf Sparflamme. Kein einziger Neubau ist beschlossen, die Energiebranche wartet auf Anreize.

Stuttgart - Wäre alles nach Plan gelaufen, würde man im Ulmer Landratsamt gerade Überstunden machen. Mitte 2014 wollten die Stadtwerke eigentlich die letzten Unterlagen für das Pumpspeicherkraftwerk Blautal eingereicht haben – zwei geplante Stauseen samt Kraftwerk zwischen Blaustein und Blaubeuren auf der Schwäbischen Alb.

Seit 15 Jahren wird das 100-Millionen-Projekt nun schon vorbereitet, doch jetzt kommt es auf ein paar Jahre mehr oder weniger auch nicht mehr an. „Die Fertigstellung der Planung wurde aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen im Energiemarkt entschleunigt“, sagt Marc Fuchs von den Stadtwerken Ulm/Neu-Ulm, die das Kraftwerk gemeinsam mit einer Steinbruchfirma errichten wollen. Der Baubeschluss steht jedenfalls noch aus.

Auch die beiden anderen Pumpspeicherprojekte im Land köcheln auf kleinster Flamme: Weder in Atdorf im Südschwarzwald noch in Forbach im Nordschwarzwald geht es richtig voran. Dabei schien es doch noch vor ein, zwei Jahren, als hänge das Gelingen der Energiewende vom schnellen Bau solcher Strombatterien ab.

Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel mahnte noch vor zwei Jahren die Bürger, die gegen die Pläne auf die Straßen gingen: „Für die erneuerbaren Energien zu plädieren, aber gegen neue Pumpspeicherkraftwerke zu sein ist inkonsequent.“

Doch das scheint lange her. Zwar will die EnBW, die beide Vorhaben in Atdorf und Forbach federführend betreut, die Genehmigungsverfahren weiter vorantreiben. Eine Investitionsentscheidung jedoch, so eine Unternehmenssprecherin, sei angesichts der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen derzeit nicht möglich.

Der Grund liegt darin, dass vor allem die reichlich erzeugte Sonnenenergie das Pumpspeichergeschäft unrentabel macht. „So wird insbesondere die bisherige preisliche Mittagsspitze an vielen Tagen durch die ebenfalls mittags auftretende Erzeugungsspitze der Fotovoltaik-Anlagen reduziert“, antwortete jüngst das Umweltministerium dem CDU-Abgeordneten Paul Nemeth, der sich nach der Zukunft der Pumpspeicherung im Land erkundigt hatte.

Mit anderen Worten: Früher konnten die Kraftwerke ihr gespeichertes Wasser mittags, wenn die Nachfrage besonders hoch war, durch die Turbinen jagen und so den Strom für gutes Geld verkaufen – nun aber deckt die Solarenergie diesen Bedarf. Minister Franz Untersteller (Grüne) erwartet denn auch „aktuell keine positiven Entscheidungen für Neuinvestitionen“.

Das gilt im Übrigen auch für andere Kraftwerke, die „grundlastfähig“ sind, also Strom rund um die Uhr und unabhängig von der Witterung produzieren. Untersteller wirbt deshalb seit vielen Jahren dafür, nicht nur die Erzeugung von Strom zu entlohnen, sondern auch das Bereitstellen von Kapazität. Er will die Energieunternehmen also finanziell belohnen, wenn sie den Strombedarf sofort und umweltfreundlich mit neuen Gaskraftwerken oder eben mit Pumpspeicherkraftwerken decken.

Der Aufbau solcher Kapazitätsmärkte ist jedoch umstritten: Kaum eine Woche vergeht, ohne dass dazu ein neues Gutachten erschiene. Während die einen Wissenschaftler vor den Zusatzkosten für die Stromverbraucher warnen, halten die anderen ein neues „Strommarktdesign“ für dringend erforderlich.

Auch die Frage, wofür diese neue Subvention überhaupt fließen soll, wird unterschiedlich beantwortet: nur für neue, umweltfreundliche Stromerzeuger oder auch für die alten Kohlekraftwerke? „Wir wollen übergangsweise die vorhandene Stromkapazität fördern, das ist erheblich billiger“, meint etwa Paul Nemeth, der Energieexperte der Landtags-CDU. Die Bundesregierung, die einen solchen Mechanismus in Gang setzen könnte, hat sich noch nicht  entschieden.

Sobald Berlin finanzielle Anreize gibt, könnte es mit dem Bau von Pumpspeicherkraftwerken also wieder ganz schnell gehen. Dass auch die Energiekonzerne damit rechnen, lässt sich aus dem Verhalten der RWE ablesen. Das Essener Unternehmen ist neben der EnBW Hauptaktionär der Schluchseewerke AG, die das 1,7-Milliarden-Euro-Projekt in Atdorf bauen will.

Zwar war RWE im vergangenen Jahr aus dem Pumpspeicherprojekt im Südschwarzwald ausgestiegen – mit dem üblichen Verweis auf die aktuellen Marktbedingungen. Die EnBW plant seither alleine weiter. Doch unlängst wurde bekannt, dass sich die RWE eine vertragliche Hintertür offen lässt: Es gibt auch eine Wiedereinstiegsklausel, wie das Umweltministerium jetzt offiziell bestätigt. Die Gesellschafter hätten darüber Stillschweigen vereinbart.

„Der Ausstieg war als rein politisches Signal gedacht, um den Druck zu erhöhen“, vermutet CDU-Mann Nemeth. Denn auch in Essen wisse man ja, dass es ohne Stromspeicherung grundsätzlich nicht geht.

Ob dies mit Hilfe von Wasser sein wird oder ob die Energie in Form von Druckluft, Methan oder anderen Medien gespeichert wird, daran tüfteln derzeit viele Forscher. Im Stuttgarter Umweltministerium macht man sich jedoch keine Illusionen: „Pumpspeicherkraftwerke stellen derzeit die einzige ausgereifte, verfügbare Technologie und die auf absehbare Zeit wirtschaftlichste Option zur Speicherung von Energie im großtechnischen Maßstab dar.“

Ein wenig Zeit bleibt dafür schon noch. Vereinzelte „Leistungsüberschüsse“, so schreibt das Umweltministerium, träten bereits ab einem Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung von etwa 40 Prozent auf. In Baden-Württemberg sei dies aber erst im Jahr 2020, also in gut fünf Jahren, zu erwarten. Kurz vor 2030 jedoch sollten Speicher „in nennenswertem Umfang“ betrieben werden.

Das klingt beruhigend, doch vor 2017 ist keinesfalls mit der Baugenehmigung für Atdorf zu rechnen. Und dann kann noch lange nicht gebaut werden, denn die Projektgegner haben bereits Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss angekündigt.