Der Gebäudekomplex, der früher Hindenburgbau hieß: Die Front am Arnulf-Klett-Platz und an der Schillerstraße mit Läden und Gaststätten ist 136 Meter lang. Foto: Archiv

Bei den Stuttgarter Immobilientransaktionen im Rekordjahr 2015 ist ein dicker Schlusspunkt gesetzt worden. Wenn die Stadt zum Jahreswechsel böllert, wird der Hindenburgbau beim Hauptbahnhof dem Firmenimperium des Piëch-Clans einverleibt – für 101 Millionen Euro.

Stuttgart - Der Immobilienbesitz des Familienclans Piëch in Stuttgart wächst und wächst. Unter der Regie von Ferdinand Piëch junior, dem 1965 geborenen Sohn des früheren Volkswagen-Aufsichtsratschefs mit gleichem Namen, ist jetzt ein dickes Filetstück hinzugefügt worden. Zwischen dem Silvester- und dem Neujahrstag übernimmt das Familienimperium den großen Gebäudekomplex am Arnulf-Klett-Platz und an der Königstraße, der als Hindenburgbau bekannt ist.

Die Bahnhofplatz-Gesellschaft Stuttgart AG als Verkäuferin hat dabei ganz gut Kasse gemacht. Mit 101 Millionen Euro liegt der Verkaufspreis nach Informationen unserer Zeitung nämlich um 12,4 Millionen Euro über dem Verkehrswert, den ein Gutachter der Verkäuferin errechnet hatte.

Verkehrswert nur bei 87,6 Millionen Euro

Dass Piëch jr. über die 87,6 Millionen Euro Verkehrswert hinaus ging, wird mit der Gunst der Stunde auf dem Geldmarkt erklärt. Darlehen sind zurzeit äußerst günstig zu bekommen, wenn man solvent ist. Wegen der allgemeinen Situation an den Finanzmärkten, erfuhren die Eigner der Bahnhofplatz-Gesellschaft , sei der Kaufinteressent bereit, einen aus Sicht von Vorstand und Aufsichtsrat außergewöhnlich hohen Verkaufspreis zu bezahlen. Bei einer außergewöhnlichen Hauptversammlung, die am Dienstag dieser Woche wegen des Immoblienhandels stattfand, wurde das nicht anders beurteilt. Die Eigner, bei denen die Immobiliengruppe der Landesbank Baden-Württemberg fast komplett das Sagen hat, genehmigten den Vollzug. Mehr als 99 Prozent des vertretenen Kapitals hätten zugestimmt, verlautete nach der Versammlung. Der Deal war damit perfekt. Vorbereitet war er seit Monaten.

Für den Kauf hatte Piëch jr. vor Monaten eine neue Firma mit dem Namen Zentrum 01 GmbH gründen lassen, die auf die Ferdinand-Piëch-Holding sowie die Piëch-Holding gegründet ist. Vor der Hauptversammlung hatte auch bereits der Notartermin stattgefunden – vorbehaltlich der formalen Zustimmung der Eigner. Gegenstand des Deals sind die Gebäude Arnulf-Klett-Platz 1-3 und das Gebäude Königstraße 2, die seit fast 100 Jahren als Hindenburgbau bekannt waren, bis diese Bezeichnung wegen der fragwürdigen Rolle des einstigen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg beim Aufstieg der Nationalsozialisten mehr und mehr problematisiert wurde. Ebenfalls Teil des Handels ist die Hofüberbauung Stephanstraße, die innerhalb des Quartiers zwischen Arnulf-Klett-Platz und Kronenstraße ist.

Zinstief hat Piëch gereizt

Zumindest kurzfristig dürfte der Kauf durch Piëch keine großartigen Folgen für die Nutzung haben. Die Mieter hätten langfristige Verträge, allerdings mit unterschiedlichen Laufzeiten, heißt es. Der Deal wird daher eher als Anlagegeschäft betrachtet. Als solcher ist er ein krönender Abschluss eines Jahres, das in Stuttgart auf diesem Sektor einen Rekord brachte. Rund 1,8 Milliarden Euro wurden beim Handel mit Geschäftshäusern umgesetzt. Das seien 645 Millionen Euro mehr als 2014 – und mehr als je zuvor, hatte der Immobilienmakler Ellwanger und Geiger Real Estate diese Woche mitgeteilt.

Piëch jr. mischt auf dem Immobiliensektor seit Jahren mit – und baut den Besitz in der Landeshauptstadt aus. Zuletzt kaufte das Piëch-Familienimperium die Calwer Passagen, in dem interimsmäßig die Fluxus-Läden betrieben werden. Davor hatte Piëch ein Bürogebäude der Deutschen Rentenversicherung an der Kreuzung Schwabstraße/Rotebühlstraße im Stuttgarter Westen erworben und Feinkost Böhm übernommen, wo er Geschäftsführer wurde. Erstmals öffentlich aufgetaucht war sein Name bei Immobiliengeschäften vor etwa zehn Jahren. Damals übernahm er von der Stadt die denkmalgeschützte Villa Levi am Killesberg, wo Ferdinand Piëch jr. n der Nähe aufgewachsen war.

Von 1926 an gebaut

Entstanden ist der Gebäudekomplex, der Hindenburgbau genannt wurde, in den Jahren 1926 bis 1928 als städtebauliches Gegengewicht zum Hauptbahnhof. Als Planer gelten Georg Staehlin, Albert Eitel, Richard Bielenberg und Paul Schmohl. Die Gebäudefront misst über 130 Meter. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Bau schwer beschädigt, nach dem Krieg höher wieder aufgebaut als er vor dem Krieg war. 2006 wurde die Erweiterung durch ein Zusatzstockwerk mit verglaster Galerie abgeschlossen.

Umstrittener Namenspatron

Auf der Fassade stand lang Hindenburgbau. Namenspatron war Paul von Hindenburg, Reichspräsident in der Weimarer Republik. Er ernannte Anfang 1933 den späteren Diktator und Massenmörder Adolf Hitler zum Reichskanzler. Erst am 15. Juli 2010 hat der Gemeinderat Hindenburg formell die Ehrenbürgerwürde aberkannt, die ihm und Hitler am 9. Januar 1933 verliehen worden war. Im November 2010 schaffte die Gebäudeeigentümerin dann auch den Namen Hindenburgbau ab. Motor dafür war die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke.

Viel Platz für Gewerbe

Insgesamt gibt es 19 702 Quadratmeter Gewerbefläche. 36 Prozent werden für Büros und Praxen genutzt, 46 Prozent für Handel, sieben Prozent für Gastronomie, elf Prozent für Lager.